zur Genüge bekannt war, dass in den türkischen Staatsmännern
die punica fides sich forterbt, und der moslemische
Fanatismus die Gleichberechtigung mit den Christen und
Juden niemals anerkennt, so lange das türkische Reich,
wenn anders der Ausdruck anwendbar, auf eignen Füssen
steht.
Als verlautete, dass die Thore des Heiligthums auf dem
Berge Moriah auch für Andere als für Anhänger Mohammeds
sich öffneten, reifte in mir der Entschluss zur dritten Jerusalemfahrt;
nach meinen vielen Wanderungen von Druckblatt
zu Druckblatt, und nachdem ich, gestützt auf das Zeugniss
von Ändern, mit saurer Mühe, gleichsam mit den Sorgen
einer Mosaikarbeit, die Felsenkuppel und die Äksamoschee
und andere inner- und unterhalb der Tempelarea liegende
Denkwürdigkeiten beschrieben hatte, wollte ich selber hinziehen
und Augenzeuge werden. Ich brannte vor Begierde, das
Bild zu retouchiren. Ein Pfund Sterling, der Tribut für den
Eintritt, lag bereit. Allein in Jerusalem angekommen, erfuhr
ich zu meinem Leidwesen, dass es anders sei und der Besuch
der grossen Moschee nunmehr zu den Unmöglichkeiten gehöre.
Gegen Ende meines Aufenthaltes im Christmonat machte ich
zum Überfluss einen Versuch bei S u r e i j a Pascha, zu welchem
ich den gefälligen preussischen Konsul Rosen begleiten
durfte; man hält sich gerne noch an die äusserste Spitze
der Hoffnung, und gleich zerschnitt ich den weiten Wunsch
zum Wünschchen, einzig und allein im Nordwestwinkel auf
den Tempelplatz hinabzusteigen, um dort die Felsenwandung
genau zu besehen, nicht einmal zu vermessen. Auch dieses
Wenige wurde abgeschlagen, und mir nur, wie ich oben
meldete, gestattet, durch das offene Fenster die ziemlich
nahe nördliche Felswand zu betrachten. Vor der Ankunft
I b r ä h im Paschas wohnten die Landpfleger auf der Nordseite
des Haram esch-Scherif, wodann ich auf die Westseite,
nicht aber- auf jene hätte schauen können; seither jedoch
nehmen dieselben die Wohnung auf der ändern Seite, und
zwar nahe der Nordwestecke. Verschiedene Vorstellungen
über das Ungenügende dieser Erlaubniss halfen nicht mehr,
als wenn sie dem Monde gemacht worden wären. Der Pascha
verschlich sich mit der Antwort, dass er in Betracht der
unter den Moslemin waltenden Verstimmung es nicht wagen
dürfte, die Bewilligung zu ertheilen, und dass er sich in
der That deswegen schämen müsse. Der Schweizer Lu dwig
T s c h u d i erlangte die Erlaubniss, zum Tempel (Felsenkuppel)
selbst hinzugehen, zu einer Zeit (1519), als die Rho-
diser-Ritter in nimmer rastender Feindseligkeit gegen die
Mohammedaner auf den Meeren kreuzten und die Sicherheit
gefährdeten, wogegen in neuer Zeit, in welcher die aufgeklärtesten
Christen dem kranken Mann am goldenen Horn
voll brüderlichen Mitleids Lebensbalsam ein träufelten, und
in welche die Erweiterung des europäischen Konzerts oder
das Bündniss des christlichen Europa mit der hohen Pforte
fällt, mir verwehrt ward, auch nur den Fuss in einen Winkel
des Tempelplatzes zu setzen — im Jahr, als man zählt 1857.
Nach meinem fruchtlosen Versuche kehrte ich der Paschawohnung
den Rücken mit unnennbarem Schmerz, der durch
das ganze Leben an meinem Herzen nagen wird, und mit
gründlicher Verachtung der türkisch - mohammedanischen
Misswirthschaft oder der Sprünge auf dem Wege der Zivili-
sazion, woferne man die Phraseologie in Lord P a lm e r s
t o n s Lobrede auf das Türkenthum vorzieht. Ich schäme
mich nun auch, öffentlich kund zu geben, wie der Mohammedaner
mich zur Entbehrung zwang, lediglich aus dem
Grunde, weil ich mich zum Christenthum oder zu derjenigen
Religion bekenne, welcher die Weltherrschaft gehört 749.
Synagogen.
So eben bauen die Aschkenäsim südlich neben den vier
Synagogen der sepharedischen Gemeinde, in der Nähe der
Omarimoschee, eine neue Synagoge t-so. Beim Fundamentgraben
für den Neubau fand man auch Goldmünzen, christliche
Dukaten aus dem Mittelalter. In einem Lande, wo so
wenig Sicherheit, wie in der Türkei, herrscht, sucht man die
Schätze zu verbergen, damit sie nicht in die vornehmen
Hände von offiziellen Gegnern des Privateigenthums ge-
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