nackt und grässlich anzusehen 638. Ich selbst sah den Boden
auf der Süd-, West- und Nordseite nass vom Regen. Muntere
Sperlinge treiben da ihren Muthwillen, indem sie durch
die Spalten des Daches hereinschlüpfen und — mit den
Mönchen singen, auch vor den Pilgrimen noch den Vorzug
haben, dass ihr Besuch der Grabkirche nicht von der Gnade
der türkischen Pförtner abhängt, von denen doch keiner sie,
die Kirche, ihre Goldgrube, als einen Tempel der Christenhunde
verschreien dürfte 03°. Würde ich an die Echtheit der
Grabstätte Christus^ glauben, ich könnte nicht genug jammern
über die Entweihung des Tempels. Wie sollte man
gerade so feierlich gestimmt werden, wenn man heim Eintritte
die Thürhüter mit der dampfenden Tasse Kaffee, dann
die Spalten des Daches und die hüpfenden Spei’linge erblickt?
Wann werden die Christen zur Ausbesserung der Kuppel sich
einigen ? Es ist bekannt, dass die Griechen vor dem russischtürkischen
Kriege einen Firm an erhielten, der ihnen allein
gestattete, die Kuppel herzustellen. Frankreich legte jedoch
dagegen Verwahrung ein. Darauf fruchtloses Unterhandeln
Jahre lang. Da erbot sich nun der Padischah A b d el-
Me d s c h id , dieselbe auf eigene Kosten umbauen zu lassen.
Auch hiergegen verwahrte sich Frankreich, mit der Erklärung
durch den Marquis von L a V a l e t t e an die Pforte,
dass ohne die Bewilligung seines Souveräns kein Stein der
Grabkirche von seiner Stelle bewegt werden dürfe 04°. Daraus
ersieht man, dass Frankreich die Ausbesserung der Grabkuppel
verhinderte, weil es behauptete, dass die römischen
Katholiken allein bauen dürfen. Am natürlichsten wäre, und
es läge auch im Sinne des wahren Christenthums, wenn die
verschiedenen Christen, Griechen, Armenier und Latiner,
welche ihre Rechte auf die Grabkirche besitzen, dies Kuppel
g eme i n s am wieder herstellten. Das neuerliche Anerbieten
des Sultans ist übrigens nicht ohne Vorgang. Vor ein paar
Dezennien nannte ein kaiserlicher Erlass fünf Inspektoren
und stellte an ihre Spitze den Woiwoden E u s t a s i u s Ni-
k o l a i d e von Zogora aus der Partei der Fanarioten. Der
Sultan bestimmte tausend Beutel zu Gunsten des heil. Grabes,
und, um den ungeheuren Schulden des griechischen Patriarchats
» zu steuern, befahl er, dass alle Priester des osmani-
schen Reichs ein Kopfgeld von einem Piaster zu Nutz und
Frommen der heil. Stätten einzuziehen hab en 041.
Die Löcher der Grabkapelle, durch welche das sogenannte
heilige Feuer herausgereicht wird, sind durchaus gemauert,
und man wollte es im Bau gar nicht bergen. Auch der
Eingang von der Engelskapelle in die Grabkapelle ist nicht
in den Felsen gehauen, sondern gemauert. Jeder, der Augen
hat zum Sehen, kann sich davon überzeugen; denn man sieht
oben deutlich die Fügung der Mauersteine. In der Grabkapelle
las ich auf der Westseite folgende Inschrift: CH IH ITH
THG cH M aN AN AG T AC E gjC; auf der Ostseite in einem
elliptischen Kreise: ,A<aI ,MNHCQH T I K t . TO v AO v -
A O v 2 0 v TOv B AG IA IK O v K A A (D A . X : KOMNH-
NOv . MIVYXHNAIOv. 1810. Auf deutsch: Herr, gedenke
deines Knechtes, des kaiserlichen Maurermeisters Ch. Kom-
n e n o s von Mitylene °42. Der Name des Pfuschers steht zu
seiner immerwährenden Schande in der I Grabkapelle. Im
J. 1517 wurde ausdrücklich bemerkt, dass kein Pilger das
heil. Grab sehen möge, und dass das Grab, in das man kam,
gleich über dem rechten Grabe und nach seiner „Gleichniss”
gemacht sei; denn es „möchte mancher der Andacht sein,
das ehr vor grösser Andacht sein heupt an das Grab schlüge,
also harte, das ehr ihm schaden thun möchte vnd villeicht
seinem Kopff also zurbrochen vnd zustossen” Ci3.
Die Westtreppen, die auf Golgatha hinaufführen, sind
durchaus gemauert, wie ich mich frisch überzeugte0li. In
jüngster Zeit brachte ein eigenmächtiges Verfahren des russischen
Bischofs die römischen Katholiken Jerusalems in
Aufregung. Es war im Hornung 1858, als ein russischer
Prälat, begleitet von zwölf russischen Priestern oder Popen,
Ky r i l lo s , Bischof in partibus von Melitopolis, in Jerusalem
einzog. Von der heil. Synode und der Regierung zu Petersburg
gesandt, wurde er vom russischen Generalkonsul Mou-
k in zu Berüt in sein Amt eingeführt. Nun am Abende des