Es dauerte lange, bis ich einen Führer bekommen konnte.
Man wollte mir zuerst den etwa sechszehnjährigen Sohn des
Dolmetschers im Franziskanerkloster, einen sehr ordentlich
scheinenden Jüngling, mitgeben; allein ich änderte meinen
Plan, am gleichen .Tage wieder gen Bethlehem zurückzukehren,
indem ich mir vornahm, heute mit einem Führer bis
Bet Dschäla zu gehen, um von da den Wädi Bettir und
dann aufwärts das grosse Thal bis gegen Kalonieh zu untersuchen.
Endlich kam ich mit einem gewissen Anton Kattä'n,
(jUaXif , wie er sich einschrieb,
einem angeblichen Arzte (il medico d i Betlemme), der unter
französischem Schutze steht, überein; nur schade aber, dass er
wenig italienisch sprach. Ich wollte nun einmal vorwärts,
und wenn au ch . Aus seinem ordentlich bestellten Hause
nahm er als Mundvorrath Brot und Feigen mit. 8 U. 40 M.
zogen wir weg. Bald waren wir unten im Wädi Om Ali.
Auf dem Gange dahin sah ich den grossen Aquädukt. 9 U.
10 Min. schlugen wir den Weg nach Artäs ein. Das Haus
des englischen Konsuls erreichten wir 9 U. 21 Min. und bald
auch in A r t ä s das des Konvertiten Mes c h u l l am oder, wie
die Araber ihn nennen, Abu Meschillem. Was das für ein
herrliches Grün hier is t! — man kann kein schöneres sehen.
Da wachsen Birn-, Äpfel-, Kirschen-, Aprikosen-, Pfirsich-,
Zitronen-, Pomeranzen-, Granat- und Feigenbäume, von Gemüse
Blumenkohl, rothe und gelbe Büben, süsse Kartoffeln
u. s. w. Freundlich grüsste ich Meschullam, weil ich 1846
ihn in Jerusalem schon kannte, und er als praktischer Mann
mir im Reisen Dienste leistete. ! Er erkannte mich nicht mehr;
doch erfreute ich mich eines guten Empfanges, und auch
seine Frau befand sich in gar günstiger Stimmung. Er theilte
mir mit, dass es ihm ganz gut ergehe. Mit den Arabern,
welche, wenigstens die Beduinen, den Wädi Artäs als ihren
Lieblingslagerplatz betrachten 250, steht er auf freundschaftlichem
Fuss. Er hatte gerade bei sich als Gast den Sohn
des Abd er-Rahman in Hebron; er wohnt in Darieh bei
Kerak, ein schöner, auch herrisch gekleideter Mann, der
etwas mehr vorstellt als unsereiner. Der Sohn Meschullams
hätte mich leicht nach Kerak bringen können251; in mir regte
sich aber vor der Hand keine Lust. Der Name des mitten
unter Arabern wohnenden Vaters Meschullam ist unstreitig
mit einem gewissen Nimbus umgeben. Sein Haus sei auch
sicher, ohne dass er einen Schlüssel brauche, ganz sicher
wol auch vor den wilden Thieren, deren Liste man ohne
Zweifel mit Hyänen, Waschbären (racoons), Wölfen, Schakal,
Füchsen zu sehr vervollständigte 252. Meschullam gibt es
nicht viel. Diesen protestantischen Vorposten an der Grenze
der Wüste beachten vielleicht die Amerikaner und Engländer
allzu wenig. Das Klima in Artäs muss sehr milde sein.
Selbst letzten Winter gab es nur sehr wenig Schnee; allein
weil die bekannten drei grossen Teiche nicht in einem ordentlichen
Zustande erhalten werden, Überflossen sie und
richteten in seinem Besitze grosse Verheerungen an 253. Unter
Reblauben und umringt von einer üppigen Vegetazion weilt
Meschullam gerne in Artäs. Ich bezweckte mit meinem Ausfluge,
das ganze Quellengebiet der Borakgegend kennen zu
lernen, weswegen ich ihn um Rath fragte. Er machte mir
nicht uninteressante Mittheilungen, von denen jedoch nicht
alle gleich stichhaltig sein dürften. Er erzählte, es gebe oben
gegen Mittag eine' Quelle Er-Ruah, deren Wasser einst nach
dem Dschebel el-Feredis geleitet ward254, und von diesem
Aquädukt sehe man auf dem Berge südlich von Artäs jetzt
noch Spuren.
Meschullams Haus ist sehr einfach, doch schöner als ein
gewöhnliches arabisches. Er lebte früher in Gesellschaft von
sieben bis acht Amerikanern, Männern und Frauen, — Baptisten,
welche den siebenten Tag der Woche als Sonntag begehen.
Ihre Erwartungen gingen nicht in Erfüllung, und sie zogen
nach Jäfa und weiter25S.
In neüerer Zeit fängt man an, das Wort Artäs, vor einem
halben Jahrhundert Orrtäs 255 geschrieben, mit hortus, im
Barbarlatein ortus 257, zu erklären. Dagegen wird eingewendet,
dass der Ton auf äs, nicht auf Art, wie bei hortus, fällt.
Die älteste mir bekannte Form war Urtas, ein Dorf in der