klaren Laut der Geschichte und die unbefaugene, nüchterne
Kritik taube Ohren haben. In der spezifischen Stimmung
werden solche Leute auch das überhören, ‘dass im Jahr 1854
mehr denn zweihundert arabische Bauern die Teiche von
Koth und Schutt säuberten und ausbesserten 282. Bei grossem
Wasserüberflusse überlaufen sogar alle drei Teiche.
Über den Zug des Aquäduktes bis Jerusalem besitzt man
auch jetzt noch nicht vollständige Kunde. Mittels des Theodoliten,
welcher die ebene Linie und die geeigneteste Lage
angab, fand man, ausser bekannten Stücken in der Nähe des
Grabes der Rahel, auch Theile in der Nähe von Mär Eliäs,
auf der Ebene zwischen diesem und dem Dschebel Der Abu
Tor und in der Nähe des letztem selbst. Die Anwendung
des Theodoliten ergab auch ferner, dass der Aquädukt sehr
leicht eben über den Mamillateich hinweggeführt werden
könnte, und dass der Boden dieses Teiches einzig etwa 4 '
tiefer liegt als die Schwelle des Jäfathors 283.
3 U. 27 Min. verliessen wir die Quelle Säleh, kamen über
das nördlich nahe liegende E l -G h a d h e r und 4 ü . 30 Min.
nach B e t Ds c h ä l a . Der Weg von den Borak nach El-
Chadher ist beinahe eben und sehr gut, die Fruchtbarkeit
südlich des Dorfes sehr gross, die Rebe wie stämmig. Gleich
nördlich desselben begegneten wir manchen griechischen Pilgern.
Das Wetter war heute sehr schön, heiterer als gestern;
ziemlich stark blies der Ostwind. In dieser Jahreszeit kann
man gewöhnlich Fusstouren machen, ohne dass man zu sehr
in Schweiss geräth. Im SW. von Bet Dschäla liegt die Kirche
und die Wohnung nebst dem Seminar des lateinischen Patriarchen.
Der Tempel, ohne Thurm, wenn gleich ein Glöcklein
nicht fehlt, ist im gothischen Styl erbaut, und obschon das
von Alumnen nun wirklich bewohnte und vortrefflich eingerichtete
Seminargebäude und die Patriarchenwohnung ange-
stossen sind, so erdrücken sie doch nicht das Gotteshaus,
das sich,wie ein Mittelschiff über das Seitenschiff erhebt.
Ich besuchte das schöne Bauwerk der jüngsten Zeit nicht,
weil das Tagebuch den Rest des Abends zu sehr in Anspruch
nahm, und weil ich ohnehin neuem Schöpfungen weniger
Aufmerksamkeit schenkte. ‘ Besonders gerne würde ich die
Bekanntschaft des gelehrten Ungarn, Pater Dr. Pe t e r H a t a l a ,
gemacht haben. Der Patriarch Gi u s e p p e Va l e r g a wohnt
schon seit einiger Zeit in diesem Dorfe, gleichsam im freiwilligen
Exil, um nicht zu nahe dem Streitplatze der F ranziskaner
zu sein. Das Knaben - und Klerikalseminar wurde
in Jerusalem gestiftet, und zuerst dort in ein Gebäude nahe
der Patriarchenwohnung verlegt. Die Absicht des hohen
Würdenträgers ging dahin, eingeborne arabische. Christen zu
römisch-katholischen Priestern herànzubilden. E r wünschte
sich mit Priestern oder Professoren aller Nazionen zu umgeben,
und 1855 hatte er schon belgische, französische und
italienische Priester, darunter auch seinen Bruder, als Mitarbeiter.
Sein Konsistorium organisirend, ernannte der Patriarch
den Kustos des heil. Landes zum Generalvikar und acht
Priester des Franziskanerordens zu Patriarchalräthen behufs
der Diözesanverwaltung. An die Stiftung der Kirche in Bet
Dschäla und an die Verlegung des Seminars dahin knüpften
sich nicht wenig Schwierigkeiten. Nachdem der Patriarch
dort ein Haus und das nöthige Land für den Bau gekauft
hatte, schickte er einen Missionar, den Abbé Mo r é t a i n ,
dahin. Diese Sendung erregte einen Aufruhr, dem in Jerusalem
J a k u b P a s c h a mehr zuschaute als steuerte. Valerga
begab sich nun selbst auf den Schauplatz der Empörung,
welche dadurch nur noch mehr erstarkte. Mor étain wurde
mit Steinwürfen verletzt und der Patriarch vielfach beleidigt,
bis dieser sich zuletzt nach Jäfa zurückzog 28fi 1854 erhielten
die Lateiner einen kaiserlichen Fermän an Jakub Pascha für
die Errichtung einer Kirche 285, und 1857 war diese fertig,
aber an allem benöthigt, und am Fronleichnamsfeste auch
das Kollegiumgebäude seiner Beendigung nahe. Zu dieser
Zeit bestand das Seminar oder Alumnat, welches 1853 sechszehn
Zôglingé (Knaben) aus Jerusalem, Bethlehem, Nazareth
und dem Eilande Kypern zählte 286, aus sechsundzwanzig Individuen,
lauter Eingebomen von zehn bis achtzehn Jahren.
Theologen zählte man nur zwei, — Franzosen, Philosophen
neun, alle Araber ; die übrigen lernten Humaniora, lateinische,
Tobler, Palästina. | 7
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