nahm mir vor, auf gut Glück vorwärts zu gehen. — Vor
Mittag verspürte ich Sommerwärme.
Samstag, 28. November. An das Aufstehen wurde ich
bei Zeiten gemahnt. Unter meinem Kopfe lag der Feldsame,
welchen der Bauer in der Frühe schon fasste. Auch fütterte
er die Stiere sehr frühe. Dieser Same, wie die Besorgniss,
dass das nächste vis-à-vis, der nicht angebundene Stier, mir
einmal noch etwas mehr weise als sein geistreiches Gesicht,
und dass er meine ohnehin etwas Noth leidende Wäsche
nicht verschönere, waren Schuld daran, dass ich mich wider
Neigung zusammenrollen musste| und dass ich daher den
Anbruch des Tages mit Freude begrüsste. In schlaflosen
Stunden der Nacht gebietet man über Vieles, bei weitem
mehr als über eine Familie, über ein Dorf oder eine Stadt,
sondern über die ganze Welt — von Gedanken, und das ist
eine wahre Herrlichkeit. Mein Frühstück bestand nur aus
ungezuckertem Kaffee und aus Brot; hingegen liess sich mein
junger, sonst braver Führer aus Bét Dschibrin, ein Moslem,
noch 01 vorsetzen. Die Araber essen gerne sehr fett. In
Bet Dschibrin liess ich einen Eierkuchen backen; ich gab
drei Piaster für Butter. Man verlangte vier; ich gab sie
nicht. Jetzt brachte man den Eierkuchen, so zu sagen,
schwimmend in der Butter, welche drei Piaster- kostete. Ich
ass nur mit grösser Vorsicht , weil sie mir nicht recht
schmeckte; hingegen griff der Bethlehemer Jjihanna, nachdem
er die langen, flatternden Rockärmel geziemlich zurückgeschlagen
, trotz meiner ärztlichen Gegenvorstellung, tief
hinein, so dass er sich Digestionsbeschwerden zuzog. Der
Leser wird denken, dass es nicht sonderlich angenehm sein
muss, mit einem Arzneigelehrten zu reisen, der so bald mit
den diätetischen regulae ausrückt und aufdrückt. Die Araber
sind Kinder der Laune, welche den Verstand als eine
unnöthige Last fühlen. Das Waizenbrot der Araber fand
ich bisher immer ausserordentlich gut und nährend.
Beim Weggange stellte sich noch ein kranker Greis mit
hochgradiger Verdunkelung der Hornhaut vor. Wenn man
ernstlich bedenkt, wie viele Leute halb und ganz blind,
einäugig sind, und wenn man zudem weiss, dass Manchen,
vielleicht aus militärischen Gründen, ein Finger fehlt, so kann
man, bei aller Werthschätzung des Naturmenschen mit J e a n
J a c q u e s R o u s s e a u und bei allem medizinischen Razio-
nalisiren, sich nicht verhehlen, dass wenigstens die Augenheilkunde
hier eine schöne Aufgabe lösen könnte.
7 U. 38 Min. veyliessen wir Nüba. Wir durchschnitten,
in der Hauptrichtung gegen Ost, ein ziemlich tiefes, von SO.
herfallendes schmales Thal, und waren 7 U. 53 Min. in dem
kleinen Dorfe Ch a r ä'ss ijoLp» 4i°. Am meisten zeichnet
sich hier im Westen ein Haufen Mist und Kehricht aus, der
zugleich die Bewohner anklagt, dass sie in das Verständniss
der Erhaltung und Förderung ihrer Gesundheit nicht eingeweiht
sind. Dieses anwidernde Kennzeichen haben in der
Regel auch andere Dörfer, oben zugleich mit einem viereckigen,
überragenden Gebäude, einer Art Thurm, dem Chan.
Ausserst selten sieht man eine Moschee. Wenigstens in den
niedrigem Gegenden glaubt und betet man fleissig ohne
Priester; in den obern thut man vielleicht all’ das nicht
oder nur selten, und ersetzt das Mangelnde, was ja nichts
Neues unter der Sonne ist, durch. religiösen Fanatismus, der
überall so leicht und bald auflodert, weil der Mensch mit weniger
Mühe die Zügel der Leidenschaft schiessen lässt, äls sie
straff hält. Der Unterschied zwischen Religion und religiösem
Fanatismus besteht äusserlich darin, dass erstere die Leidenschaften
bewältigt, letzterer sie entfesselt, die eine sie zerstört
und der andere sie aufstört.
Von Charäss ging es in ein zweites Thal von ungefähr
gleicher Richtung; alle Thäler bis mit dem von Wäd Fokin
fallen ins Wassergebiet des Wadi el-Masarr und es-Sant.
Wir überschritten dann, zum Theile in pfadloser Gegend,
ein N.-W. hin ziehendes Thal, und kamen in NNO.-Richtung
8 U. 15 Min. westlich neben das etwa fünf Minuten entfernte
Ds c h imr i n das kaum durch Ruinen angedeutet ist.
Westlich, dicht am Wege, stehen Trümmer von ziemlich
altem Aussehen. Hier Hessen sich Schäfer mit ihren Hunden
etwas unfreundlich an, ohne uns eigentlich- ein Leid zu thun,