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 Y a l e n t i n e r   und  H e f f t e r ,   letzterer  ein  bekehrter  Jude,  
 den  entgegengesetzten,  mithin  einen  günstigen  Eindruck  auf  
 mich  machten.  Überschaue  ich  im  schönen Tempel,  mit  den  
 ältesten  Gesetzen  in  der  Grundsprache  als  Inschrift,  die  Gemeinde, 
   welche  an  der Gasse  eine  nicht hoch  gehängte kleine  
 Glocke  zusammenrief,  und  denke  ich  zurück  an  die  Zeit  vor  
 einem Duodecennium,  so muss ich mir sagen, dass fast Wunderbares  
 geschehen sei.  An  der protestantischen Gemeinde wirken  
 (1857)  nicht  weniger  als  sechs Geistliche,  der Bischof Gobat ,   
 Cr awf o r d ,   Ba i l e y ,   Va l e n t i n e r ,   He f f t e r   und  Klein,   
 fast  alle  mit  Familie,  und  das  von  gewissen  Leuten  verspottete, 
   von  Vernunft  und Moral  wol  hinlänglich  gerechtfertigte,  
 im  Oriente  gar  nicht  beispiellose  Familienleben  der  Geistlichen  
 hat  gerade  viel  Mittheilsames  und  Treibsames  inmitten  
 eines  fremden  Volkes;  das  aufwachsende  Geschlecht  wird  in  
 arabischer  Sprache  erzogen,  nimmt  zum  Theil  arabische  
 Denkweise  an,  macht  sich  mit  arabischen  Volksthümlich-  
 keiten  mehr  oder  minder  vertraut,  ist  den  geistigen  Bedürfnissen  
 mit  erkennendem  Aug’  und  helfender  Hand  näher,  
 wenn  man  nur  sich  der  Besorgniss  entschlagen  darf,  dass  
 die  klimatischen  und  andere  eigenthümliche  Verhältnisse  
 nicht  mehr  die  Neubildung  von  pollani  bedingen,  von  denen  
 die  Geschichtschreiber  der  Kreuzzüge  ein  so  düsteres  Gemälde  
 entwarfen.  Wie  anders  sonst  der  ledige  Franziskaner,  
 der  selten  arabisch  lernt  und  versteht,  selten  in  die  Familienkreise  
 eingeführt  wird und nie  sich hineinlebt,  gewöhnlich,  
 nach  Verrichtung  vieler  Gebete  und  nach  Verspeisung  vieler  
 Fische,  d.  h.,  meist  nach  drei  Jahren,  ohnp  Reue  Land  und  
 Leuten  den  Rücken  kehrt,  um  ändern  Brüdern  Platz  zu  
 machen,  die  desgleichen  thun!  Damit  will  ich  keinesweges  
 behaupten,  dass  der  römische  Katholik  unter  Führung  des  
 priesterumgebenen Patriarchen  und  des  vielverzweigten  Franziskanerklosters, 
   ungeachtet  die  immer  noch  fortbestehende  
 bedauerliche Spaltung zwischen beiden  etwas  hemmend  wirkt,  
 mit  dem  schönen,  dem  Geschmackp  des Morgenländers  mehr  
 zusagenden  Kult  nicht  sich  grossen  Einfluss  zu  verschaffen 
 J 
 wisse;  nur  durchdringt  der  Seelsorger,  bei  allem  Gebieten  
 über die Beichtkinder,  vermöge  der  eigenthümlichen  priester-  
 lichen  Verhältnisse  nicht  so  völlig  das  Familienleben,  weil  
 lediglich  eines  das  andere  sich  anzieht,  in  geistiger  und  anderer  
 Hinsicht  gegenseitig  ergänzt.  Manche  Protestanten,  
 welche  den  Gottesdienst  ihrer  Kirche  besuchen,  werden  vielleicht  
 über  Hyperorthodoxie  klagen.  Man  darf  indess,  um  
 gerecht  zu  sein,  nicht  unerwogen  lassen,  dass  die  kritischen  
 Läuterer  sich  eben  nicht  begeistert  fühlen,  um  eine  Kirche  
 auf  Zion  zu  bauen,  und  dass  nur  der  tief  gefühlte  Beruf  
 für  Verbreitung  des  Christenthums,  die  christliche Voll-  und  
 Warmgläubigkeit,  mit  aller  Berechtigung,  so  etwas  thut,  nur  
 thun  kann.  Die  eifrigen Seelen  mögen  in  ihrer  heissen Vorliebe  
 für  ihre  Sache  manches  Gegenwärtige  zu  rosig  darstellen, 
   die  Zukunft  zu  grün  anstreichen,  —  auch  der  nüchterne, 
   leidenschaftslose  Beobachter  wird  und  muss  zugeben,  
 dass  von  dem  vielen  Ausgesäeten  immer  etwas  keimt  und  
 fruchtet,  dass  schmale  Anfänge  im  Laufe  der  Zeit  breiter  
 werden,  wie  das Wasserbächlein  im Weiterrauschen  munterer  
 und  stattlicher  wird.  Ja   die  protestantische  Gemeinde  hat,  
 wie  mir  däucht,  in  Jerusalem  eine  bedeutende Zukunft,  wenn  
 auch,  worüber  dann  aber  die  Berichte . der  protestantischen  
 Sendboten  gar  kleinlaut  sind,  hin  und  wieder  ein  Christ  zu  
 den  Juden  übergeht,  wie der mennonitische Bauer  aus Danzig,  
 David  Klasen,  und  seine  Schwester  7I°. 
 Am  Sonntag  vor  Mittag  wird  in  englischer  Sprache  und  
 nach  Mittag  in  deutscher  Gottesdienst  gehalten.  An  Bibel-  
 und  Betstunden  fehlt  es  die  Woche  hindurch  nicht;  Männer  
 ohne  gehörige  Bildung  treiben  da  in  langen  Vorträgen  Exegese. 
   Die  Deutschen  halten  so  viel  als  möglich  zusammen;  
 sie  fü h l e n   die  Superiorität  der  Engländer711.  Sonst  auch  
 spalteten  sich  in  neuester  Zeit  die  Protestanten,  so  dass  es  
 eine  konsulare  und  bischöfliche  Partei  gab  oder  gibt.  Die  
 Veranlassung  dazu  war  der  bekehrte  Jude  Simeon  Rosenthal  
 von  Brody,  früher  Schuhster,  später  Gastwirth  in  Jerusalem,  
 welchen  der  englische  Konsul  F i n n  für  die  Zeit  seiner  Abwesenheit  
 zum  Stellvertreter  einsetzte.  '  Man  kannte  den