Man mag nun auf die Forschungen nach Alterthümern
ein wenig ausruhen, und werfen wir jetzt einen Blick in das
häusliche Lehen. In unserem Zimmer bemerkte ich eine
besondere Einrichtung zur Aufnahme des Wassertopfes (el-
brik). Auf dem erhöhten Platze (diwän) war an einem
Pfeiler ein halb zirkelrunder, auf vier Füssen stehender Ring
aus Mist und Lehm gemauert, und da hinein der Topf gestellt.
Einmal spuckte der Alte auf meinen Mantel, was ich
begreiflich nicht zu seinen Gunsten mir notirte. Das Kupfergeld,
das offen in meinem unbewachten Tornister lag, blieb
unangetastet. Überhaupt sind die Leute recht brav. Während
ich dies schreibe, sitzen neugierig und plaudernd drei
mohammedanische Frauen um mich her, und wie die Kinder
schauen sie meinem Schreiben, einer Art Hexenmeisterei in
ihren Augen, so gerne zu. Ich stehle dabei das Licht von
der Lampe, die aussieht wie ein höflich heruntergenommener
Dreizipfelhut mit einem Zipfel für den Docht nach vornen.
Eine junge Frau benahm sich immer besonders höflich gegen
mich und liess nichts von Christenhass durchblicken. Später
werde ich wieder das taktmässige, gar nicht unangenehme
Wiederkauen des Kamels hören, das im Hofe unangebunden
die Krippe bewacht, indem es seinen bureaukratisch schmollenden
Kopf Ehrfurcht gebietend hin- und herdreht. Einmal
wollte es sogar meinen fränkischen Hut verkosten, und wol
mehr den Umstehenden als seinem Gaumen eine Freude bereiten.
Nach und nach wurde ich doch als Arzt bekannt,
und es kam ein Augenkranker nach dem ändern — chronische
Augenliederentzündung, grauer Staar. Auf weit und
breit betet kein Priester vor und fühlt kein Arzt den Puls
und sekundirt ihn keine plauderhafte Hebamme, und es geht
dennoch. Niemanden ist es von Behörde aus verboten, mit
Gift dem Leben ein Ende zu machen, und es vergiftet sich
Niemand, während in Ländern, wo die Väterlichkeit der Regierung
nur auf besondere Erlaubniss hin den Kauf von
Fliegen- oder Mäusegift in Apotheken gestattet, Menschen
in die Tausende unter den spiritusbegabten Augen von Beamten
sich aus dem vergifteten und unvergifteten Fasse des
gewinnsüchtigen Wirthes zu Tode saufen und raufen in mar
jorem gloriam civilisationis.
Der Köhler besetzte unser Gastzimmer theilweise bereits
mit Kohlen, die mich auch zum Ausziehen nöthigten. Es ist
doch in der That nicht unbillig, dass man Mohren, die noch
nie einen vernünftigen Laut von sich gaben, über einen
Weissen den Vorzug einräumt. Man wies uns dafür einen
Platz im eigentlichen Familienzimmer an; allein ich wollte
lieber in den Kuhstall zusammt Boue und Boudoir, weil ich
da mehr Ruhe und eine gleichmässigere Temperatur zu finden
hoffte. Ich täuschte mich keinesweges. Man darf ja nicht
vergessen, dass die Stiere hier zu Lande viel zahmer und
ruhiger sind, weil sie, weit weniger gut genährt als die un-
serigen, viel eher an die Weltüberwindung sich gewöhnen
und sich über einen feisten Fastenprediger ordentlich verwundern
würden. Nie hörte ich einen Stier blöken oder in
so würdiger Weise sich über sein Schicksal beklagen; nur
die Katzen machen mehr Spektakel. Auch ist der Stallgeruch
hier zu Lande nirgends so stark oder, wenn man will,
so gewürzhaft wie bei uns. Habe doch keine Seele Mitleid
mit mir. Unter mir bloss eine Strohmatte, bedeckt mit einem
Wollenteppich, über mir ein Mantel, als Kopfkissen Tornister
und Rock, f— so schlafe ich, allerdings eine schöne Porzion
minder als im weichen Bette, bin aber doch munter, bei
Kraft und Muth. Man kann sich unnöthigerweise ans Vielschlafen
gewöhnen, gerade wie ans Vielessen. Nun aber im
Postwagen rühmlichen Andenkens — war es etwa bequemer,
wenn man die ganze göttliche Nacht, einen Mittelplatz einnehmend,
wie eingepfercht sitzen musste, sitzen überdies in
der Furcht, nicht etwa umgeplaudert; umgeraucht, umgeschnarcht
oder umgedrückt, sondern mit Sack und Pack
umgeworfen und mit Beulen ausstaffirt zu werden ?
Freitag, 27. November. Als ich einpackte, merkte ich,
dass die Tauben doch etwas zu nahe wohnen. Ihr Haus,
zwei halbrunde Nischen von Lehm, lag gerade neben unserem
Bette. Ich habe mit meinem Dolmetscher immer die liebe
Noth, früh aufzubrechen. Die Ruhe lächelt ihn gar so süss