5 U. 25 Min. setzten wir über einen trockenen Bach, Naher
Esdüd, der westwärts ins Meer verläuft, in der Nähe Esdüds
aber eine Krümmung gegen Mitternacht macht. Er ist nur
ein Einriss im Boden, nördlich noch mit einer kurzen Brücke
überwölbt. Wir schlugen den südlichen schlechtern Weg ein.
In einer Entfernung von einer halben Stunde im SO. bot
sich das unscheinliche Dorf Berra dar. Der Boden ist wellenförmig,
die Erde röthlich, hier und da verzeigt der Weg den
nackten Felsen, und ich glaube, auch Spuren einer Römer-
Strasse wahrgenommen zu haben. Hin und wieder wechselte
das Schauspiel von Schaf-, Kamel- und Rindviehherden.
Die Kühe, meist von röthlicher Farbe, sind klein, mager, und
das so unbedeutende Euter ist bei manchen schwer zu sehen.
5U. 30 Min. trafen wir in E s d ü d ein. Dieses Dorf liegt uneben
auf einem Hügel, und besteht aus niedrigen, einstöckigen
Häusern von der Farbe des Erdbodens. Ihre Zahl betrage
fünfzig bis sechszig. Wir zogen zum Chan. Man bereitete
uns eine Eierspeise, buk Brotfläden und reichte Kaffee. Ich
war, ans Reiten nicht gewöhnt, weit mehr müde als hungerig;
doch schmeckte das Gericht mir nicht übel. Eine merkwürdige
Szene rollte sich vor meinen Augen auf. Eine Reihe
von Männern hockte vor dem Eingänge in den Chan, und
als ich da draussen im Angesichte des klaren Mondes auf
dem Schilfteppiche Platz nahm, und die Leute erfuhren, dass
ich Arzt sei, drängte man sich, doch nicht ohne Bescheidenheit,
herzu, und Klagen über Krankheiten wollten kein Ende
nehmen. Die Meisten beschwerten sich über Husten, und es
ist merkwürdig, dass die Krankheiten der Lungen an diesem
Orte häufig auftreten und selbst den Leidenden aufreiben.
Indess ich dieses schreibe, umgeben mich die Araber, und
schauen den ihnen wunderlich vorkommenden Bewegungen
meiner Bleifeder zu. Ich lag während des Schreibens auf
dem Bauche, und es gab somit keinen Anlass, mich durch
Bequemlichkeit zu verweichlichen, und doch fand ich, was
. die Hauptsache ist, das Denken gar nicht unbequem. In
geringer Entfernung lärmten die Kinder lange Zeit im Wettrennen,
und einmal gab es unter den Männern Streit bis zum
Handgemenge, das aber nicht besonders roh ablief. Ich war
möglichst beflissen, guten ärztlichen Rath , zu ertheilen, und
ich moralisirte auch, indem ich, alles Positive vermeidend,
mich äuf einen höhern, allgemeinen Standpunkt stellte. Man
hörte meine Toleranzpredigt, die für Mohammedaner gerade
so geniessbar war, als sie es für Christen gewesen wäre, mit
Aufmerksamkeit und Beifall an, und man gewann mich am
Ende so lieb, dass selbst ältere Männer mir die Hand küssten.
Das vermag immer noch der Zauber wahrer Liebe zu Gott
und den Menschen. Die mit Unfehlbarkeiten und Hochmuth
überfüllten Querköpfe rennen so gern an und bedecken sich
mit Beulen. So angenehm es des Abends war, wollte ich doch
nicht unter freiem Himmel über Nacht bleiben. Ich tra t in
den Chan, und der Knauf einer Säule diente als Treppenstufe,
um auf den Bettplatz im Winkel zu steigen. Es zeigte
sich überdies das Fragment einer weiss marmorenen Säule,
und überhaupt will man im Dorfe viel Reste des Alterthums
bemerken. Nahe westlich von dem Orte trauert ein ziemlich
grösser verlassener Chan.
Aschdod, Esdod, Asdod, von den Griechen ^w r o g verschrieben,
ist eine der philistäischen Fünfstädte und demnach
u ra lt46. Es lag zehn Meilen südlich von Jabne 47, was mit
meinem Marsche von drei Stunden und dreizehn Minuten bis
an eine starke Drittelmeile oder, wenn man annimmt, dass
die Alten auf Viertelmeilen nicht eingingen, gänzlich übereinstimmt.
Man nannte Esdod eine Seestadt, wie Gaza,
Askalon und Jope48. Name und Trümmer zeigen deutlich,
dass das Aschdod in der Gegend des heutigen Esdüd lag.
Man darf nicht unberücksichtigt lassen, dass zwischen Jäfa
und Askalän ein etwa eine halbe . Stunde breiter ödei Strich
Dünen die Meeresküste begleitet, wie es wahrscheinlich schon
im Alterthume der Fall war. Wenn man- in neuerer Zeit
behauptete, dass die fortwährend vom Seestrande her wehenden
Stürme oder Luftströmungen den vom Wellenschläge zermalmten
Sandstein zu grossen Sandhügeln aufgethürmt haben,
dass mit jedem Jahre der Flugsand immer mehr Land gegen
Ost erobert, die fruchtbarsten Strecken des Landes überzieht