. J
chem kommt die Geschichte zu bald von der Hand, vielleicht
auch gar nicht in die Hand. Man denke zurück, dass
in frühem Jahrhunderten weder in Ramleh, noch in Jäfa
Klöster bestanden, und doch konnte man reisen. 1395 wurde
man zu Jäfa nach Pilgerbrauch in einer unsaubern Kapelle
des heil. Petrus auf dem Hügel untergehracht, und man
setzte dann die Fahrt nach Jerusalem fo rt012.
Noch nie sah ich in Jäfa das Meer ruhiger als heute;
man hätte auf manchen Klippen spaziren gehen können,
ohne benetzt zu werden. Diese Ruhe des Meeresspiegels und
das in Ferne bemerkte, hieher fahrende Dampfboot des österreichischen
Lloyd machten mich rührig, um auf die Abreise
mich vorzubereiten. Freudig stieg ich beim Einbrüche der
Nacht an Bord der „ Imperatrice ” und nach zehn Uhr bewegte
sich der Dampf gegen den Berg Karmel.
19. Dezember. Siehe, beim Aufgange der Sonne grüsste
uns der Karmel so herzlich, dass man ihn hätte umarmen
mögen. Es war dieser ein alter Freund, den ich noch ganz
gut kannte. Sein Gesicht hat bei alljährlicher Verjüngung
gleiche Farbe und Fülle, während wir Menschen mit dem
Alter uns verändern; das Wangenroth verschiesst immer mehr
und die Stirne sieht allmälig aus, als wenn die Pflugschar
darüber gefahren wäre. Und doch strebt unsere Lebenslust,
weil nach Lebenslänge, eben nach diesem Abendschimmer
der Wangen und dem Furchenfelde der Stirne, nach der
Hinfälligkeit, freilich nur, weil das Naturgesetz zwingt, und
weil man kümmerliches Verleben gänzlichem Ausleben oder
dem Tode immer noch vorzieht. Um acht Uhr lagen wir
vor Haifa oder Hefa ankerfest. Die Rhede gewährt den
Schiffen keinen vollkommenen Schutz, ohschon sie an Sicherheit
der von Jäfa und Akka vorangeht, und das Anlanden
bietet seine Unannehmlichkeiten deswegen, weil auch kleinere
Kähne nicht bis ans Trockene gerudert werden können. Da
bürdet sich ein starker Mann mit einer Schamlosigkeit, die
s e lb s t’jener klosterfraugewordenen Jerusalem - Babylon - Pilgerin
Schrecken einjagea könnte, den Reisenden auf den
Rücken und buckelt langsam dahin tappend ihn ans Land,
wo der glücklich Abgestellte sich auffreut aus der Furcht,
er hätte nass eingesalzt werden können. Die Versunkenheit
der Einwohner gräbt sich nicht einmal einen kleinen Kanal
zur'Erleichterung der Fahrt, damit man im Stande sei, vom
Nachen unmittelbar ans Land zu schreiten, als wenn es nicht
auch zugleich für das Hinüberladen der Waaren viel leichter,
weit mehr zeitersparend wäre. Es ist gerade nicht nöthig,
dass man ein Choleriker von Profession sei, um mit etwas
Mühe dem Ausbruche des Zornes über die Unüberlegsamkeit
und Faulheit eines so grossen Theils von Morgenländern zu
wehren. Oder sollen wir auch hier eine Regierung vor der
ändern, wenigstens bis zu der der ägyptischen Sultane hinauf,
vorerst anklagen?
Im Anblicke des schneebeladenen Libanon stieg ich ans
Land. Im Westen ausser der Stadt, im Garten des englischen
Konsuls bereitete mir ein Leoparde eine unerwartet
grosse Freude. Ich konnte ihn, der nur an einem langen
Stricke angebunden war, streichen, wie ich wollte, und als
man ihm länger schmeichelte, begann er zu schnurren genau
wie eine Katze. Er wurde, noch sehr klein, nicht weit von
Haifa gefangen. Schon in ziemlicher Nähe der Stadt, dann
im ganzen Gebirge des Karmel sind Hyänen, Tiger, Leoparden
und wilde Katzen nicht selten. Einmal stellte sich
ein Paar Leoparden etwa zehn Minuten von der Stadt mit
Stolz, ohne eigentliche Wildheit, ja gleichsam zahm, in beschaulicher
Ruhe. Tigerjagdfreunde, statt dass sie nach
Afrikas Innerm sich begeben, möchte man hieher einladen,
gleichzeitig auf den Vortheil hoffend, dass sie uns eine genauere
Kunde des in mannichfacher Hinsicht so merkwürdigen
Karmel gehen. Der englische Konsul besitzt ausserdem
eine sehr kleine Hyäne.
Aufmerksam gemacht durch den Dr. J o h a n n e s Ro th,
w e lc h em die Wiederauffindung fies Kr o k o d i l s in Palästina,
aber nicht durch eigene Anschauung, sondern nur nach anderen
Berichten, in unzweifelhafter Weise glückte, frug ich
diesem Thiere nach, und nach mehrseitiger Erkundigung
hält sich dieses nahe bei Tantüra im Flusse Tamür und
nicht einmal in ganz geringer Zahl auf; allein der Erzählung
hängt wol Irrthümliches an, weil der Fluss Tamür oder