Jerusalem. Ich vermuthe, andere Reisende werden besser
thun, wenn sie selbst ausbezahlen, als wenn sie, wie ich, das
Zahlmeistergeschäft, das Juhanna so gerne betrieb, hinter
dem Rücken des Reisenden, dem Dolmetscher überlassen.
Auf meinen Zügen über das Gebirge Juda wurde ich
mehr oder minder mit dem Terrän vertraut, und ich werde
daher auf dieses noch einen Rückblick werfen. Die gegen
das Mittelmeer abfallende Seite des Kalkgebirges Juda ist
mannigfaltig von Thälern und Schluchten durchschnitten, die
in der Regel einen westlichen, aber auch, in der Haüptrich-
tung, einen südwestlichen und nordwestlichen Verlauf nehmen.
In der Bibel wird das Land in Berg und Ebene oder Niederung
geschieden, und das ist wol die Hauptkarakterisirung;
denn der Gegensatz von Ebene ist alles, was nicht eben ist,
sei es Hügel oder Berg. Indess lässt sich ziemlich leicht
ein Berg-, Hügel- und Niederland unterscheiden. Nach der
Bibel aber wurde das Hügelland zum Niederlande gezählt.
Wo die Berge rauh, die Wände höher und steiler, die Thäler
enger sind, können wir das Bergland nicht verkennen. Da
werden nach und nach die Berggipfel niedriger und platter,
gegen Abend hin erschaut man kein neues Vorrücken von
Bergen mehr, die Thäler thun sich mehr auf und bekleiden
sich mehr mit Gewächsen — hier haben wir das westlich
von der Ebene begrenzte Hügelland vor den Augen. Wer
möchte jetzt mehr die Niederung schildern? Glaube man
übrigens keinesweges, dass es zwischen den Bergen, Hügeln
und der Ebene eine regelmässige, eher gerade Abmarkung
gebe. Die Grenzlinien sind noch nicht genau ausgemittelt;
auf jeden Fall muss man sich auf Kurven gefasst machen.
Z. B. in der Gegend von Bet Likieh oder des Merdsch Iben
Omeir zieht sich das Hügelland bedeutend weiter gegen
Morgen zurück als in jener von Lätrun und Bet Süsin.
Wir betrachten jetzt die Wassergebiete, - die alle dem
Mittelmeere sich zuwenden, und die oder Theile davon ich
mehr oder minder genau kennen lernte.
1. Das Wassergebiet des Audscheh. Ich habe nur noch
beizufügen, dass dieses Gebiet sehr gross ist, indem es sich
nördlich bis Kilkilia und östlich bis über Seilün ausdehnt
49 7.
2. Das Wassergebiet des Rubin (Sarär) konnte ich etwas
genauer untersuchen. Jerusalem, dem todten Meere ange-
hörend, ist diesem zweiten Wassergebiete sehr nahe gerückt.
Der Naher Rubin beginnt mit einem, nördlichen Arme unweit
Bet Hanina und mit einem südlichen Arme keine halbe
Stunde westlich von Jerusalem. Der letztere Arm, der Wadi
Hanieh, nimmt namentlich den Wädi Ahmed und den Wadi
Bettir auf, und vereinigt sich mit dem Nordarme, dem Wädi
Sätäf, erst etwa anderhalb Stunden unterhalb des Dorfes
Sätäf. Der Winterbach tritt als Naher Rubin bei Ibna ins
Meer. Es befremdet mich auch jetzt noch in hohem Grade,
dass der Einschnitt des Bodens für diesen Fluss, welcher
schon in seinen Zweigen bei Bettir und Kalönieh das so
scharf ausgeprägte Aussehen eines Winterstromes darbietet,
und der auch noch bei Ain Scherns Gerölle aufweiset, mir
entgehen konnte 498. Auf Nachfragen bei verschiedenen Männern
folgte die einstimmige Antwort, dass der Wädi es-
Sarär als Naher Rubin bei Ibna ins Meer ausmünde4" , und
damit stimmen auch die Berichte anderer Reisenden überein500.
Also hier haben wir eine ausgemachte Sache vor
uns, wenn mir auch unerklärlich bleibt, wie und wo sich
der Bach hei Ibna durchwindet. Jedenfalls stehe ich nicht
an, der Ansicht zu huldigen, dass wenigstens ein grösser
Theil der Wassermasse in der Ebene versickere, und dass
dieselbe bei Ain Scherns weit bedeutender ist als bei Ibna.
3. Das Wassergebiet des Sant. Es beginnt westlich von
El-Chadher bis Terkümieh. Das Hauptthal, als Wädi el-
Masarr, zieht von der Nähe El-Hosäns hinunter, verläuft in
ein Ebene-gleiches Thal, den Wädi es-Sant, und dann in der
Nähe von Esdüd s e l b s t ä n d i g , ohne sich mit dem Wädi
es-Sarär oder Rubin zu verbinden501, ins Meer. Ich sage:
selbständig, weil von den verschiedenen Erkundigungen 502
keine einzige dahin lautet, dass ein Zusammenfluss dieser
zwei Hauptströme stattfinde, und weil eine abweichende Erkundigung,
die ich als unrichtig annehme, noch weiter nach