Menschenliebe beseelt, nämlich vom Professor der Theologie
zu Freiburg i. B. Alban Stolz, diametral verschieden beur-
theilt zu werden, in einer Weise, dass er, wenn man so sagen
möchte, seinen Mitpriester widerlegt, und zwar mit den
Worten (238. 2. Aufl.): Ich absolvire Tobler um so zuversichtlicher
von schlimmer Absicht, da in allen seinen Schriften
das entschlossene Suchen nach Wahrheit nicht zu verkennen
ist. Mishn wird es trotz solcher Verurtheilung nie so weit
bringen, dass man auf eine nüchterne Geschichte der Überlieferungen,
wie ich sie versuchte, indem ich sie gar nicht
immer mit einer Kritik begleitete, verzichten wird, und das
so lange, als die Welt besteht, in welcher Menschen frei und
der Wahrheit zugethan sind. Doch zur Sache. Gestützt auf
Flavius Josephus und den Pilger von Bordeaux (Topographie
2, 663 f.) wies ich nach, dass laut ihrer ziemlich übereinstimmenden
Entfernungsangaben Altjericho nicht da liegen
könne, wo jetzt Neujericho uns antrauert, sondern dass es
weiter im Westen siGh ausgebreitet haben müsse. Gegen
diese Beweisführung wendet Mislin ein, dass die Abstände
oft nur annähernd angegeben seien, und dass die Entfernung
von 150 Stadien mit seinem Jericho vollkommen übereinstimme.
Allerdings ging ich den Weg von Jerusalem nach
Neujericho in stark 6 Stunden', was auf etwa 150 Stadien hinausläuft;
allein man darf nicht vergessen, dass nicht die
Hinaufreise, welche bedeutend länger gedauert haben würde,
sondern die viel leichtere Herabreise und der nächste Weg
gemeint ist — und dass man dieser Strecke mehr anrechnen
müsse, geht auch daraus hervor, weil die 60 Stadien von
Neujericho bis zum Jordan zu lang wären; in Wahrheit machen
sie nicht mehr als 39 bis 40 Stadien, mithin ein ganzes
Drittel minder aus. Mislins Annahme ist daher ungenau und
beruht nicht, wie die meinige, auf eigenen Messungen. Aber
auch die natürliche Gestaltung der Gegend spricht für eine
Versetzung des Altjericho mehr gegen West. Eine halbe
Stunde westlich von Neujericho haben wir eine reiche Quelle,
die Elisäusquelle, welche, je nach der Jahreszeit, bis gegen
oder auch unter dieses Jericho hinabrinnt; weiter oben
erblicken wir das Keltwasser. In Ländern wie Palästina,
wo die Quellenbäche selten sind, verbaut man nicht leicht
das anstossende Land mit Häusern, sondern führt diese oder
einen Komplex von Gebäuden als Stadt an Stellen auf, wo
der Fruchtbarkeit oder Ergibigkeit des Landes weniger Eintrag
gethan wird. Es verriethe ein unbegreifliches Verkennen
der Landeseigenthümlichkeiten, wenn man Altjericho zwischen
Eriha und dem Elisäusborne hinstellen wollte. Es wäre zugleich
ein sonderbares Versehen, wenn man die vielen Ruinen,
welche den Boden des Altjericho decken, nicht recht beachten
wollte. Schon etwa eine kleine Viertelstunde vom Fusse des
Gebirgspasses gibt es einen Wasserbehälter von 657' (engl.)
Länge und 490' Breite, den rings, besonders auf der Westseite,
Trümmer umgeben, sich streckenweise gegen Nord bis
zum Ain es-Sultän ausdehnend {Murray, Handbook 192).
Rücke ich auch mit Altjericho von Neujericho weg weiter
gegen West, noch aus dem fernem Grunde, weil gerade zwischen
beiden in der von der Elisäusquelle bewässerten Gegend
ohne weiteres der so gerühmte Palmenhain, oder wenigstens
ein Theil desselben, liegen musste, so komme ich mit ihm
noch gar nicht auf den Berg hinauf, sondern bleibe hübsch
in der Ebene, iv ntduo, wie Fl. Josephus will (b. J. 4, 8, 2),
nur an ihrem Westsaume, wo sie von einem langen und kahlen
Gebirge überragt wird. Ruft man ins Gedächtniss zurück,
dass im Stamme Ju d a einige Städte der Niederung zugeschieden
sind, die eine mehr hügelichte Lage haben als mein
Altjericho, so entgehe ich zum voraus dem Vorwurfe, dass
ich einseitig vorgehe oder eine Übertreibung mir zu Schulden
kommen lasse. In Einem Punkte jedoch hat Mislin Recht,
und aus dem unumwundenen Zugeständnisse mögen Andere
meine Wahrheitsliebe erschauen, nämlich darin, dass ich eine
einschlagende Stelle des Strabo, bei Abgang des griechischen
Textes, nicht ganz richtig deutete; dort ist nur davon die
Rede, dass Jericho eine Ebene sei, von dahin in Form eines
Theaters abgedachten Bergen umringt, und dass beim Hinabgehen
nach Jericho (oder seiner Gegend) die Burgen Thrax
und Tauros einander gegenüber liegen (zalg doßokaig avvxeieva