III. HAUPTSTÜCK,
V on dem immerwährenden Schnee und E is der
E rdoberfläche.
lEiin nicht unbeträchtlicher Theil der Erdoberfläche ist unter
einer Decke von Eis und Schnee verborgen, diese Decke
bildet selbst einen Theil der Oberfläche. Von solcher Beschaffenheit
sind nicht nur die Gegenden um die beiden Erdpole,
sondern auch alle eine durch die geographische Breite
und einige andere natürliche Bedingungen bestimmte Höhe
überschreitende Gebirge, und gewisse hochliegende Gebirgs-
thäler in welche, wenn sie auch diese Höhe nicht überschreiten
, die Eismassen als Gletscher sich hinabziehen.
Diese Decke von Eis und Schnee ist zwar im Ganzen
bleibend, aber in Ansehung sowohl ihres Umfanges als ihrer
Dicke, veränderlich, und zwar der veränderlichste Theil
der ganzen Erdoberfläche. Die Veränderungen die sie alljährlich
mit dem Wechsel der Jahreszeiten erleidet, diese
jährlich wiederkehrende Alw und Zunahme derselben ist
nicht Gegenstand unserer Abhandlung, wohl aber die Frage;
ob eine fortwährende, öder eine in gewissen mehr oder minder
grofsen, aus dem Wechsel der Jahreszeiten allein niclt
abzuleitenden Zeiträumen, statt findende Vermehrung octer
Verminderung dieser Decke wahrgenommen wird ?
Bei den übrigen Theilen der Erdoberfläche kennen wir
die Art und Weise wie sie entstanden oder in ihre jetzige
Gestalt und Lage gekommen sind, entweder gar nicht, oder
nur zu einem geringen Theile, wo wir — wie z. B. bei den
vulcanischen Erzeugnissen, und bei den von Wasser und
Wind hervorgebrachten Anhäufungen — sie unter unseren Augen
entstehen sehen. Nur Muthmafsungen, von den uns bekannt
scheinenden Sätzen der Chemie und JNaturlehre an
die Hand gegeben, können wir über die Bildung der übrigen
festen Theile der Erdrinde aufstellen. Von den Kräften
hingegen welche diese Gebilde allmählich zerstören liegen
schon mehrere uns vor Augen, und viele sehen wir sogar
ihre Wirkungen äufsern.
Eine verschiedene Bewandtnifs hat es in dieser Hinsicht
mit der Decke von Eis und Schnee. Wir kennen das
Verfahren mittelst dessen, oder wenigstens die Bedingungen
unter welchen die Natur Eis und Schnee hervorbringt
und auflöfst. Wir wissen dafs einzig und allein die Mehrung
und Minderung der Wärme der Luft, und das Daseyn
von Wasser oder Wasserdampf zu diesem Hervorbringen
und Auflösen erforderlich ist. Daher bedürfen wir, um uns
die Bildung der Masse dieser Decke zu erklären, keiner
blofsen Muthmafsungen, wie zu Erklärung der Entstehung
der festen Gebirgslager und anderer geologischen Erscheinungen,
sondern wir haben uns blofs mit der Frage: welchen
Veränderungen sie unterworfen, und vornehmlich, ob
sie in fortwährender Zunahme oder Abnahme ist? zu beschäftigen.
Die Beantwortung dieser Frage ist von Wichtigkeit
für die natürliche Geschichte der Erde, und von unverkennbarem
Einflufs auf die geologischen Systeme.
Die Wirkungen welche die Veränderungen in der Eisund
Schnee-Decke auf die Gestalt der anderen festen Theile
der Erdoberfläche äufsern sind zwar dem Anscheine nach
nur gering, und wohl der minder wichtige Theil dieser Er