So ist denn die ganz verschollene und vergessene
Theorie Morris von unseren ersten Geognosten, Buch und
Humboldt, neu erfunden worden aus eigenen Wahrnehmungen.
Dafs sie sie aber selbst, und gewisserinafsen nacherfunden
haben — wie Galilei das Fernrohr — das leidet gar
keinen Zweifel. Solche ehrenhafte Männei', die nicht nöthig
haben sich mit fremden Federn zu schmücken, und die
Quellen zu verschweigen aus' denen sie geschöpft haben,
würden nicht unterlassen haben ihren würdigen Vorgänger
Moro zu nennen, wenn er ihnen die erste Idee zu ihrer
Theorie gegeben hätte. Sie haben aber seine Ansicht nicht
gekannt, und die Unbekanntschaft solcher Gelehrten mit
einem veralteten, und erst jetzt in seiner Wichtigkeit erkannten
Stücke aus der geologischen Litteratur mag denn
wohl auch für uns einen Entschuldigungsgrund abgeben,
wenn wir vor zwölf Jahren —- mit Morris Ansichten ebenfalls
noch nicht bekannt, und in der neueren Erhebungstheorie
noch gar nicht so befestigt, dafs wir die Aehnlich-
keit zwischen den Erhebungsphänomenen von Santorin,
Monte Nuovo und so weiter, mit dem allmählichen Emporsteigen
eines von Vulcanen freien Landes von vielen
tausend Quadratmeilen sehr augenfällig hätten finden können,—
wenn wir damals uns genöthigt sahen, für die ge-
muthmafste Erhebung Schwedens strengere Beweise zu
fordern als uns damals gegeben schienen. Dafs uns indessen
die Erhebüngstheorie, so viel davon damals bekannt
war, auch in jenem Zeitpuncfe wenigstens nicht ganz fremd
gewesen ist, mag ein öffentlich bekannt gemachter, gewisse
geognostische Erscheinungen bei Ilmenau betreffender
Brief vom 11. November 1819 beweisen *).
Dafs aber in derselben neuen Zeit, sogar Geognosten
von Rang mit der neueren Erhebungstheorie entweder gar
1) Leonhard's Taschenbuch für 1820. 2te Abth. S. 568.
nicht bekannt waren, oder kein Vertrauen in dieselbe
setzten beweist Breislack, der zwar allerdings Aforo’s Theorie
anführt, aber nur um sie zu widerlegen, und der von
der Erhebung der Gebirgsketten und überhaupt solcher
Berge die nicht wirkliche Vulcane sind, durchaus Nichts
wissen will. Ja noch mehr wird es bewiesen dadurch, dafs
Breislack’s Uebersetzer, der im J. 1820 wohl mit Buch s
und Humboldt's Ansichten hätte bekannt seyn können,
Morris Schrift ein Werk voll grundloser Hirngespinnste
nennt1), und nicht einmal die ihm durch Breislack s Widerlegung
desselben dargebotene Veranlassung dazu benutzt,
ein Wort von der neuern Erhebüngstheorie zu sagen. Auch
Cuvier, in seiner bekannten geologischen Einleitung zu
seinem Werke über die fossilen Knochen2), wo er viele
Arten der Veränderungen der Gestalt der Erdoberfläche
anführt, als: Einstürzungen, Anschwemmungen, Dünen,
u. s. w., übergeht die Erhebung gänzlich mit Schweigen.
S. 111 und 418.
Das dort angegebene Verhäitnifs zwischen dem Wasserstande
des Te u t s c h en und des Bal t ischen Meer e s
ist nicht das richtige. Unter den Ni emanns chen Angaben
ist nur richtig die Höhe des F l emhuder Sees
über dem Bal t ischen Meere bei Kiel “ 21,5 Fufs.
Aber dieser See liegt 21 Fufs über der gewöhnlichen
Fluthhöhe der Eider an der letzten Canalschleuse bei
Rendsburg. Dort aber beträgt das Intervall zwischen
Fluth und Ebbe nur 2,5 Fufs. An der Mündung der Eider
1) Scip. Breislack's Lehrbuch der Geologie, übersetzt und mit
Anmerk, begleitet v. Friedr. K. uon Strombeck. B. 2. S. 174.
2) Discours sur les Dévolutions de la surface de Globe.— Teutsch
mit Anmerk, und Beilagen von JSöggcrath. Bonn 1830.
2 Bände.