Humboldt*) der genaue und sichere Beobachter, der
nicht leicht eine Erscheinung einzeln hinstellt, ohne anderer
darauf Beziehung habender oder ihr zur Bestätigung und
Erläuterung dienender zu erwähnen, gedenkt wohl des
Oststromes, sagt aber kein Wort von einem untern Gegenstrome.
Marc et sagt: So leicht die Erklärung von einem
Unterstrome in der Strafse zu seyn scheine, wenn man
einen bedeutend gröfsern Salzgehalt des Wassers im Mittelländischen
Meere, als defs im Ocean annehme; so habe
man doch bis jetzt keinen andern Grund das Daseyn eines
solchen Gegenstromes anzunehmen, als eben diese anscheinend
leichte Erklärung desselben aus dem verschiedenen
Salzgehalte der beiden Meere 3). Hierauf erzählt er den
alten Vorfall mit dem gesunkenen Schiffe, den er ebenfalls
als die einzige Thatsache kennt, die den Gegenstrom beweisen
soll.
Es ist zwar neuerlich noch eine Wahrnehmung beigebracht
worden, aus welcher man das Daseyn des untern
Gegenstroms in der Strafse hat beweisen wollen; aber juch
diese scheint uns dazu nicht geeignet zu seyn. Der Ehgli-
sche Schiffslieutenant Patton erzählt folgenden Vorfell 4).
Er befand sich mit seinem Schiffe ( The EsmeraU) im
M i t t el l ä n di s chen Meere, als er, sich dem Felsen
von Gibraltar nähernd, von einem heftigen Windstdse aus
Osten überfallen wurde. Da die Nacht herannahite, gab
er seinen Segeln eine solche Stellung-, dafs er hoffn durfte,
ohne Gefahr den Tag und besseres Wetter erwartenzu können. 1
1) Voyage. Vol. 1. S. 64 u. 68.
2) Alex and. Mar c e t On the specific g ra v ity , anl temperature
of Sea Waters, in differ. parts of the Ocean anöin particular
Seas etc. Philosoph. Transact. 1819. p. 161 f.
3) a. a. O. S. 175 u. 176.
4) Edinburgh philosophical Journal. Vol. 4. S. 24&
281
Aber gegen 1 Uhr Morgens bemerkte er etwas Dunkles
auf der Seite unter dem Winde, das er für Land hielt, und
folglich sein Schiff in grofser Gefahr glaubte. Er wendete
es, sah aber dafs er mit Hülfe der Segel nicht vom Lande
abkommen würde, versuchte daher sich den Ankern anzuvertrauen,
und liefs einen derselben fallen. Ehe jedoch
dieser Grund gefafst hatte, stiefs das Schiff schon auf und
blieb fest bis Tagesanbruch, da man dann sah, dafs es
hinter den Felsen von Gibraltar angetrieben worden war —
durch einen Gegenstrom, wie der Erzähler hinzusetzt.
Bei diesem Berichte dringen sich uns folgende Bemerkungen
auf. 1. Das Schiff Esmerald befand sich bei
diesem Vorfälle gar nicht in der Strafse, sondern östlich
von dem Felsen von Gibraltar, also im Mittelländischen
Meere. — 2. Es wurde von einem heftigen Ostwinde auf
den Felsen von Gibraltar zu getrieben, hatte daher die
Strafse im Süden. — 3. Die Annahme eines sogenannten
Gegenstromes, welcher noch aufser der Wirkung des Ostwindes
das Schiff gegen Westen getrieben haben soll, ist
auf keinen der in der, Erzählung berichteten Umstände
gegründet. — 4. Wenn aber ein solcher Gegenstrom in
dem vorliegenden Falle wirklich nachgewiesen wäre, so
könnte es kein unterer Strom, sondern es müfste eine
Strömung auf der Oberfläche des Meeres gewesen seyn,
denn das Schiff war ja nicht gesunken, sondern flott als
es getrieben wurde. — 5. Wenn ferner dort wirklich eine
Strömung von Ost nach West zum Treiben des Schiffes
mitgewirkt hätte, so geschah diefs doch nicht in der
Strafse, sondern nordöstlich von derselben im Mittelländischen
Meere; das ergiebt sich aus der Beschreibung der
Stelle gegen die das Schiff angetrieben wurde. —• 6. Dieses
wird auch dadurch bestätigt, dafs Lieutenant Patton
berichtet, er habe die zu Rettung des Schiffes ihm nötliig
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