das Vollkommenste. Einige sehr entscheidende Beweise
für diese Macht des fliefsenden Wassers haben ganz neue
in vulcanisclien Gegenden gemachte Wahrnehmungen geliefert.
Die steinartigen Laven gehören bekanntlich zu den
am wenigsten zerstörbaren Felsarten. Dennoch hat sich in
einem im J. 396 vor dem Anfänge unserer Zeitrechnung *)
vom Aetna ausgeflossenen Lavastrome der kleine Flufs
Ca l tabi anc o ein vierzehen Fufs tiefes Bett eingegraben 1 2).
Wir erwähnen hier nur dieser der historischen Zeit angehörenden
Thatsache. Viele ähnliche, bei denen sich aber
der Zeitraum der Wirksamkeit des Wasserlaufs nicht nach-
weisen läfst, weil der Zeitpunct des Ergusses der Lava
nicht bekannt ist, hat Scrope 3 1) in den von Bächen und Flüssen
in feste Laven der Auvergne eingegrabenen Rinnen gefunden
und nachgewiesen.
Der überaus umsichtige Lyell, dessen Wahrnehmungen
und Ansichten wir schon oft angeführt haben, betrachtet
die auch ihm unverkennbar erscheinende Wirkung des fliefsenden
Wassers zu Bildung der Flufsbetten und Thäler aus
einem Gesichtspuncte, von welchem aus die verschiedenen Ansichten
der Naturforscher hiervon sich einigermafsen vereinigen
lassen. Er ist nähmlich der Meinung, dafs unmittelbar
nach vulcanischen Ausbrüchen und nach Erdbeben, da wo
diese die Gestalt des Bodens verändert, Verschiebung,
Zerreifsung, Zertrümmerung, Wasserfälle, Stromschnellen,
Veränderung des Wasserlaufs u. s. w. hervorgebracht
haben, das dort fliefsende Wasser noch sehr mächtig und
in verhältnifsmäfsig kurzer Zeit zu gröfserer Veränderung
der Bodengestalt, und zu Bildung von Flufsbetten und Thä-
lern gewirkt habe j dafs aber in den auf solche Katastrophen
1) S. oben Th. 2. S. 263.
2) Ch. L y $11 Principles T. 1. p. 117.
3) Gf. P o u l e t t S c r o p e Memoir o f the geology o f Central
France. London. 1827. 4.
folgenden Zeiträumen langer Ruhe die Wirkung des fliefsenden
Wassers auf die Gestalt des Bodens nur sehr gering,
und oft fast unmerklich sey *).
Was den ersten Theil dieser Ansicht betrifft^ so müssen
wir ihm hierin vollkommen Recht geben. Gewifs mufs
das fliefsende Wasser da am stärksten auf den trocknen Boden
wirken, und die tiefsten Furchen einschneiden, wo es
gewaltsam von seinem frühem Laufe abgelenkt, vielleicht
von jähen Abstürzen herabzufallen genöthigt wird, oder auf
zerrissenen, aufgelockerten Boden trifft, welchen es leichter
als unverrücktes, festes Gestein zerstören kann. Dafs aber
seine Wirkung selbst auf Massen dieser letztem Ar t , auch
in ruhigen Zeiten sehr grofs und mächtig ist, das zeigen
die oben von der Auve rgne und aus S i c i l i e n angeführten
Beispiele vom allmählichen Einschneiden von Bächen in
die härtesten Laven deutlich genug; nur sind hierzu wohl
sehr lange Zeiträume erforderlich.
Es ist wohl auch behauptet worden, die Flüsse vertieften
ihre Betten nicht, sondern erhöheten sie vielmehr durch
den Sand und Schlamm den sie mit sich führen. Diese
Behauptung indessen verdient keine Widerlegung, da sie einen
Widerspruch in sich selbst enthält, indem die Flüsse
Sand und Schlamm nicht mit sich führen könnten, wenn
sie diese nicht im obern Laufe dem Boden entrissen hätten
, — und indem die Rinne die man das Flufsbett nennt
gar nicht vorhanden seyn könnte, wenn sie nicht durch
den Wasserlauf hervorgebracht worden wäre, was schon
die Form eines jeden Flufsbettes zeigt, die keine andere
ist als die eines jeden durch Kunst gegrabenen Canals, die
mindere Regelmäfsigkeit abgerechnet. Diese seltsame Meinung
hat man aus der Bemerkung genommen, dafs grofSe
1) Principles of Geology V. 3. p. 112. 113. und an mehreren
Stellen.
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