auch in Eu r o p a sowohl bei grofsen als bei kleinen Flüssen
manche merkwürdige der historischen Zeit angehörende
Veränderungen, durch welche die oben dargestellten Wirkungen
des fliefsenden Wassers bewiesen werden, aufser
denen von uns schon im 1. Buche berichteten Veränderungen
an den Mündungen mehrerer Hauptflüsse.
Von der T i be r sagt Rircher 4) : sie habe binnen zwanzig
Jahren nach dem Mont e Mar io zu so viel vom Boden
ausgewaschen, dafs sie den Fufs dieser Anhöhe bespühle;
dagegen sey das gegenüber liegende Ufer durch Anschwemmung
bedeutend vergröfsert worden. — Der Serchio fiel
noch zu Plinius Zeit bei Pisa in den Arno. Sein Nähme
war ehemals Au s ar und An s e r 1 2) , der sich noch in dem
kleinen sumpfigen Flusse Osar i erhalten hat, welcher
zwischen dem Arno und Ser chio ins Meer fällt. Zu
Welcher Zeit aber der S e r chio aus seinem alten Laufe ab,
und dem Meere zugeleitet worden ist, und ob dieses die
Natur oder die Kunst bewirkt hat, darüber ist nichts bekannt
3 4 5). Von den grofsen Veränderungen die im unteren
Laufe des Po vorgegangen sind, ist schon oben 4) umständlich
die Rede gewesen.
Ritter 5) hat die Frage aufgeworfen: ob das Verschwinden
desRhône (La pe r t e du Rhône zwischen
Gen f und Lyon) vielleicht auch durch eine in der historischen
Zeit mit der Gestalt des dortigen Bodens vorgegangene
Veränderung entstanden sey? Darauf führt ihn der
1) Mund, subterran. L. 2. C. 12, §. 4.
«) PI in. H. N. L. 3. c. 5. — Ru t i l ius itinerar. 1. 1. __
S t r a b o I. 5.
3) CI uv er Italia antiqua L. 2. c. 2.
4) Th. 1. S. 273. f. — Mehr davon s. in L y e l l Principles T. 1.
p. 183. f.
5) Erdkunde Th. 2. S. 494. citirt Pol ybius Hist. lib. ed. Gr o-
nov. Amstelod. 1670. T. 1 , 10. p. 863.
Umstand dafs Polybius, in Erwähnung des Gihon, die
Erscheinung eines verschwindenden Flusses für etwas Unwahrscheinliches
hält; was ihm nicht begegnet seyn würde,
wenn ihm das Verschwinden der Rhone bekannt gewesen
wäre. Dieses hätte ihm aber durch HannibaVs zehentägigen
Marsch an diesem Strome bekannt seyn müssen, wenn es
damals schon bestanden hätte.
Eine fortschreitende Veränderung in der Gestalt der
Oberfläche wird in L i v l a n d , Es t h l a n d , Kare l i e n
und I ngermanl a nd durch den Wasserlauf hervorgebracht.
Dort besteht der Boden aus einem völlig wagerecht gelagerten
Kalkstein der auf Sandstein liegt. Die oberen Lagen
dieses Kalksteins sind härter als die unteren. Gegen
den Finnischen Meerbusen hin sind diese Lagen durch senkrechte
zwanzig bis fünfzig Fufs hohe Abstürze abgeschnitten,
und von ihrem Fufse an erstreckt sich eine Sandebene
bis an das Meer. Dort, an den Abstürzen, bilden alle aus
dem Innern des Landes kommenden Flüsse Wasserfälle.
Die Betten derselben sind schon bis zur Unterlage des obern
Kalksteins eingeschnitten und die Flüsse greifen jetzt den
untern weicheren so stark an, dafs am Abhange die oberen
Lagen untergraben werden und zusammenbrechen. So rücken
die Wasserfälle immer weiter in das Land hinauf. Die
der Nar owa, des Jagowal und andere sind seit Menschengedenken
sehr beträchtlich, der erstere sogar mehrere
Meilen weit hinaufgerückt1).
Von den grofsen und mächtigen Flüssen des nördlichen
und östlichen A siens würden unfehlbar manche hie-
her gehörenden Thatsachen aufzuführen seyn, wenn in Ansehung
der ersteren die Ueberlieferung hoch genug hinaufreichte,
und von den letzteren uns Europäern mehr als die
1) Rh od e in der Zeitschrift Eunomia v. Fe f s l e r u. Rhode
J. 1801. B. 1. S. 21.