Zeitraum, der zwischen dem dunkelsten Anfänge dieser Ue-
berlieferungen und unserm Jahrhunderte liegt, ist in der
That noch nicht grofs zu nennen. Nur für einen kleinen
Theil der Erdoberfläche, für das westliche Asien und
für die classischen Umgebungen der Osthälfte des mi t tel l
ä n d i s ch e n Me e r e s umfafst er höchstens dreitausend
Jahre und kaum soviel. Für die übrigen Theile von E u-
r o p a und A s i a ist er schon um wenigstens tausend Jahre
kürzer, und für das mittägliche Af r ica und ganz Amer
i c a umfafst er nur wenige Jahrhunderte.
Dagegen beweisen viele und wichtige Wahrnehmungen
— von denen die Verhältnisse der sich in den jüngsten
Erd- und Felsschichten findenden Ueberreste organischer
Wesen der Vorzeit ein Beispiel abgeben mögen, — dafs
das Wesentliche der Erdoberfläche oder Erdrinde, aller äu-
fseren Veränderungen ungeachtet, lange, sehr lange Zeit
vor diesen dreitausend Jahren, wenn auch nicht von ganz
gleicher, doch von sehr ähnlicher Gestalt, aber unfehlbar
von ganz gleicher Natur und Beschaffenheit gewesen seyn
mufs, wie man dieselbe noch jetzt findet. Daraus folgt,
dafs die mit derselben vorgegangenen Veränderungen nur die
äufsere Gestalt dieser äufsersten Erdrinde, die Umrisse der
Länder und Inseln (den Grundrifs oder wagerechten Durchschnitt
der Oberfläche), und die Umrisse der Höhen und
Tiefen (den senkrechten Durchschnitt) betroffen haben,
nicht aber die innere Beschaffenheit.
Erkennen wir nun die deutlichsten Spuren davon, dafs
in dem zwischen der anscheinend ersten Ausbildung, dieser
im Wesentlichen unverändert gebliebenen, und nur in der
Gestalt einzelner Theile seit dreitausend Jahren hie und da
veränderten Erdrinde, und dem Zeitpuncte da das menschliche
Geschlecht — so viel wir nehmlich wissen —• zuerst
angefangen hat, Etwas von solchen Veränderungen wahrzunehmen,
inneliegenden Zeiträume, dessen Gröfse zu ermesgen
wir keine Mittel haben, — dafs in diesem Zeiträume
ebenfalls schon Veränderungen vorgegangen seyn müssen,
die den uns selbst wahrnehmbaren vollkommen gleich sind:
wie z. B. die Deltabildung, das Ansetzen von Land, das Zerstören
der Küsten, die Erhebung und das Einsinken des
Bodens u. s. w.; so werden wir uns genöthigt finden, den
Theil dieser Erscheinungen, von welchem wir selbst Zeugen
sind, nur als eine Fortsetzung der schon früher eingetretenen
und durch einen langen Zeitraum thätig gewesenen
Wirkungen ganz gleicher Ursachen zu betrachten.
Da aber der Theil dieser Erscheinungen, den unsere
Gattung während dreitausend Jahren selbst beobachtet hat,
im Verhältnisse zum Ganzen der Erdoberfläche so klein ist,
und die vor Augen liegenden Spuren derselben Wirkungen
aus noch früherer Zeit Veränderungen zeigen, die im Verhältnisse
zu den ersteren sehr grofs und selbst im Verhältnisse
zum Ganzen gar nicht klein sind; so darf man
wohl nicht anstehen zu behaupten, dafs jenen dreitausend
Jahren ein aufserordentlich viel gröfserer Zeitraum vorausgegangen
seyn mufs, während dessen immerfort gleiche
Veränderungen mit der Gestalt der Länder und Inseln, der
Flüsse und Seen, der Höhen und Tiefen vorgeschritten
sind, und zwar immerfort durch dieselben Ursachen hervorgebracht,
welche sie noch heutzutage bewirken; und
ohne dafs die eigenthümliche innere Natur und Beschaffenheit
der Erde * und die auf dieselbe wirkenden Naturkräfte
die mindeste Veränderung erlitten haben.
Die Veränderungen selbst ereignen sich, wie oben gezeigt
worden ist, zum Theil allmählich und gleichsam unmerklich
, oder so langsam, dafs sie erst nach Verflufs eines
mehr oder weniger langen Zeitraumes wahrgenommen
werden können, wie die allmählichen Anschwemmungen,
die Deltabildung, das Anwachsen des Landes an niedrigen
Küsten, die Dünenbildung, das Anhäufen des Sandes am
Verändcr. d. Erdoberfl. Bd. III. .