werden mufs. Die zweite, welcher auch hier die Ausstülpung für das Auge angehört,
ist wenigstens bei Embryonen von Karpfen in sehr früher Zeit ungemein
lang im Yerhältnifs zu der geringen Höhe, öffnet sich auch im vordersten
Theile, aber nur in sehr geringem Umfange, weshalb ich nicht anstehen kann
sie das Zwischenhirn zu nennen. Das mittlere primäre Hirnbläschen ist etwas
breiter als die andern Bläschen und bekommt eine mittlere Einsenkung, die zwar
den Schein einer Spalte giebt, aber, wie es mir schien, auf dem Kamme des nach
unten herabragenden Vorsprunges eben so wenig getheilt ist, als bei andern Thie-
ren. Es ist das Mittelhirn. Das letzte primäre Bläschen ist bald länger als die
andern und verliert, wie überall, nach der Sonderung der Hirnhäute seine ganze
Decke, so dafs es einer langen, vorn abgestumpften, hinten zugespitzteü Mulde
gleicht, und um schliefst das werdende Hinterhirn und Nachhirn, deren Abgrenzung
erst durch die spätere Entwickelung deutlich wird.
Indem ich weiter gehen will, befinde ich mich in einer peinlichen Verlegenheit
, da mir ein, ohne Zweifel sehr rasch vorübergehender, Moment bei
der Untersuchung entgangen ist. Um Ihnen diesen Zweifel klar zu machen,: erlauben
Sie, dafs ich vorher Ihnen das Hirn einer ausgewachsenen Karpfenart vorlege.
Sie sehen, wenn Sie es von oben betrachten, drei Abtheilungen hinter
einander liegen. Die vorderste, bei unsern gewöhnlichen Fischen aus zwei
soliden, durch eine schmale Binde vereinigten Massen gebildet, führen gewöhnlich
den Namen Riech - Ganglien. Wir werden hören, dafs über die Bildnngsge-
schichte derselben gar kein Zweifel seyn kann. Hinter diesem Paar von Anschwellungen
ist eine zweite durch, eine graue Mittellinie und eine mittlere Einsenkung
etwas getheilte Abtheilung, und darauf folgt eine dritte ganz ungetheilte,
am meisten vorragende, doch etwas schmalere Abtheilung, die man dasi kleine
Hirn nennt. Schlägt man das kleine Hirn nach vorn zurück, so finden sich hinter
demselben noch auf jeder Seite, also an der Seitenwand der sogenannten vierten
Hirnhöhle, Anschwellungen, und in den Karpfen stofsen sogar diese Anschwellungen
in der Mitte zusammen, so dafs sie eine Brücke über der vierten Hirnhöhle
bilden. Man mufs sie für eine Wucherung des sogenannten verlängerten
Markes apsehen.
Aber mit welchem Theile des Hirnes der hohem Thiere soll man die Abtheilung,
die , vor dem kleinen Hirne liegt vergleichen ? Sie i,st hohl und enthält
in sich Anschwellungen. Man nannte sie daher früher mit H a lle r das grofse
Hirn. Allein A rs a k y , Ca ru s und T ie d em a n n suchten zu beweisen, dafs
sie den sogenannten Vierhügeln anderer Thiere (unserm Mittelhirne) entsprächen,
vorzüglich weil dieser Abschnitt im Embryonenzustande anderer Thiere
sehr
sehr grofs und hohl sey und die Sehnerven deutlich aus ihnen entsprängen *).
Ihnen folgten S e rre s , D e sm o u lin s und überhaupt die meisten neuedn Zootomen
Deutschlands und Frankreichs. Erst ganz neuerlich haben Cu v ie r und
G o tt sc h e die ältere Hallersche Ansicht verfochten, nach welcher dieser Theil
das grofse Hirn wäre, wobei sie mit Recht darauf aufmerksam machten, dafs
zwischen dem was sie grofses Hirn nennen, und dem kleinen, .noch ein Theil, von
ersterem überdeckt, liege, der für die Vierhügelmasse gehalten zu werden verdiene
**).
Seit einer Reihe von Jahren, seitdem ich nämlich die entschiedene Selbstständigkeit
der dritten Ftirnhöhle' (des Zwischenhirnes) im Embryo des Hühnchens
gesehen und seine Ueberdeckung durch das Vorderhirn verfolgt habe,
konnte ich nicht umhin, jene Abtheilung im Fischhirne für das nicht unterdrückte,
sondern zur Entwickelung gekommene Zwischenhirn anzusehen, die
Riechganglien aber für das Vorderhirn, den überdeckten Theil für den Vierhügel
oder das Zwischenhirn. Wenn man nämlich die Hirnhaut zwischen dem
kleinen Hirn und der fraglichen mittlern Anschwellung abtrennt, so läfst sich
die letztere ohne alle Verletzung nach vorn Zurückschlagen und man sieht nun
einen verdeckten Abschnitt zwischen beiden, der in den meisten Fischen sogar
vier Anschwellungen zeigt, wie der Vierhügel anderer Thiere. Auch liegen die
Anschwellungen nicht unmittelbar auf den untern Strängen des Rückenmarkes
auf, sondern sie bilden ein Gewölbe,1 unter welchem die Höhlung des kleinen
Hirnes mit der Höhlung der zurückgeschlagenen Hirnmasse, die wir der dritten
Hirnhöhle anderer Thiere gleichsetzen, communicirt. Dieser Gang wäre also
in jeder Flinsicht mit der Sylvischen Wasserleitung übereinstimmend. In der zurückgeschlagenen
Abtheilung finden wir zwei etwas gewundene Ganglien. Caru
s und seine Nachfolger erklären sie für Ganglien des Vierhügels, weil dessen
Decke sich hier so stark entwickelt habe, Cu v i e r für die Streifenhügel, Allein
*) Der Ursprung der Sehnerven spricht mehr noch für meine Ansicht, da er ursprünglich in keinem
Thiere mit dem Mittelhirne Gemeinschaft hat. Dafs man die erste Bildungsweise der Sehnerven
nicht kannte, hat auf alle Arbeiten über das Hirn seit G a il einen unberechenbaren
Einfliifs gehabt.
**) Ich habe im ersten Bande nachdrücklich auf die Selbstständigkeit und ursprüngliche Vollständigkeit
dieser Abtheilung aufmerksam gemacht. Man scheint aber noch gar nicht erkannt
zu haben , welcher Einflufs dieses Verhältnifs auf die Theorie des Hirnbanes haben mufs. Des-,
wegen habe ich es jetzt vorgezogen, gleich die morphologischen Elemente des Hirnes mit eigenen
Namen zu belegen, wie ich sie seit zehn Jahren in Vorträgen gebraucht habe. Der Ausdruckgewinnt
durch dieselbe hoffentlich an Bestimmtheit und Verständlichkeit