Am achten Tage nach der Empfängnifs fand ich diesen Ueberzug, die sogenannte
hinfällige Haut, im ganzen Fruchthälter als eine völlig durchsichtige Masse
von derConsistenz eines festem Eiweißes, am meisten aber einem ungefärbten Blutkuchen
oder einem Lymphkuchen vergleichbar, die Zwischenräume zwischen den
Zotten der Schleimhaut des Fruchthälters ausfüllend und noch über sie weggehend.
Durch denselben Reizzustand, welcher den Ueberzug des Fruchthälters erzeugt,
vergrößern sich nämlich auch die Zotten der innernFläche des Fruchthälters, welche
vor der Schwängerung nur bei sehr starker mikroskopischer Vergrößerung als
kleine Unebenheiten sich erkennen lassen. In diesen Ueberzug hinein hatten sich
die Blutgefäße des Fruchthälters verlängert und Schlingen um jede Zotte gebildet*).
Aus dieser Beobachtung scheint wohl unwiderleglich hervorzugehen, d a ß " der
Ueberzug zuvörderst der Schleimhaut des Fruchthälters nur auf liegt, denn die
Grenze war sehr bestimmt und für jede einzelne Zotte kenntlich. Dieser Meinung
waren auch früher die Anatomen allgemein. Sfe ist zwar auch jetzt noch die gewöhnlichste
und unter vielen Andern pflichtet ihr V e lp e a u bei, der die meisten
Untersuchungen über die erste Entwickelung der menschlichen Frucht anzustellen
Gelegenheit gehabt hat. Sie ist aber in neuester Zeit bestritten worden. Oken
glaubte in Hunden zu erkennen, daß die sogenannte hinfällige Haut, welche in
diesen Thieren außerordentlich wuchert, nichts Anderes sey, als die aufgelockerte
Schleimhaut des Fruchthälters **), und in neuester Zeit hat es viel Aufmerksamkeit,
ja man kann wohl sagen, Aufsehen erregt, daß S e ile r in Bezug auf den Menschen
Aehnliches zu erweisen sich bemüht, und zwar auf vielfache Beobachtungen
im Fruchthälter gestützt***). Nach unserer Ansicht verwächst aber der Ueberzug
erst allmählig mit der Schleimhaut zu einem Ganzen. Dasselbe Verhältnifs scheint
mir im Menschen Statt zu finden. S e ile r hat die Wucherung, welche.diese
Schleimhaut erfährt, voflständig beobachtet. Allein er nennt sie die Membrana
d e c id u a v e ra, giebt aber zu, dafs außer dieser Schicht noch eine zweite auf
ihr auf liegende da ist, welche keine ausgebildete Organisation hat. Diese zweite
ß t also wohl der Ueberzug oder di e De cidua. — Wenn nun später beide Theile
sich näher vereinigen, so dürfte damit noch nicht das Recht gegeben seyn, die
Schleimhaut schon für den Anfang Decidua zu nennen. Daß der Ueberzug des
*) Vergleiche die hier angehängten Studien für die Entwickelungsgeschichte des Menschen Nr. I.
und Taf. VII. Fig. 4. E. W e b e r hat auch über eine vor sieben Tagen geschwängerte Person
eine Beobachtung bekannt gemacht, die mit der meinigen sehr übereinslimmt.
**) O ken’s und K ie s e r ’ s Beiträge zur vergleichenden Anatomie. 4.
***) S e ile r : Die Gebärmutter und das Ei des Menschen in den ersten Schwangerschaftsmonaten.
1832. Fol.
Fruchthälters aber anfänglich nur anliegt und nicht die Schleimhaut selbst ist, war
nach der so eben berichteten Erfahrung zu deutlich, um es zu verkennen. Zwar
trennt man in der spätem Zeit der Schwangerschaft den Fruchtkuchen und die
De c id u a nicht von der Schleimhaut des Fruchthälters, sondern von der Muskel -
Substanz desselben ab, aber Aborte aus der frühem Zeit scheinen wohl den Ueberzug,
aber nicht die Schleimhaut des Fruchthälters mit zu nehmen. Mit Ausnahme
der ersten Tage zeigt der Ueberzug beider Flächen kleine Grübchen. In diese wuchern
die Zotten des Eies hinein.
Man hat eine Zeitlang viel darüber gestritten, ob die Bekleidung des Fruchthälters
, von der wir eben sprechen, an den Stellen durchbohrt ist, an denen der
Fruchthälter Oeffnungen hat oder nicht. Das erstere hatte H u n te r geglaubt.
Jetzt kann man wohl als erwiesen betrachten, daß fast immer die Einmündungen
der Eileiter von der neuen Substanz gleichsam verschmiert werden, wie es bei der
Enge dieser Oeffnungen sich erwarten läßt. Ein solcher ausgeschiedener Stoff
kann nicht so genau auf der Stelle bleiben, die ihn erzeugt hat, dafs eine so enge
Oeffnung nicht sollte ausgefüllt werden. Doch giebt es Ausnahmen, wo die Mündungen
wirklich offen bleiben, .worüber R u d o lp h W a g n e r sehr bestimmte
Erfahrungen mittheilt *). Nicht selten verlängert sich der Ueberzug bis in den Eileiter
hinein. Die meisten Anatomen sind der Meinung, daß auch der Muttermund,
vollständig von der D e c id u a ausgefüllt werde. Das halte ich für weniger
allgemein, weil ich in einigen Fällen das Entgegengesetzte wahrnahm, obgleich
in andern der Sack unten geschlossen war**). DerUeberzug scheint nie ganz den
äußern Muttermund zu erreichen. In diesem findet sich vielmehr ein Schleimpfropf,
wie bei andern Säugethieren.
Wenn nun das Ei den Eileiter hinabsteigt und in den Fruchthälter gelangt,
so findet es diesen gewöhnlich mit einem, zwar nicht sehr derben, aber doch zähen
und in sich so zusammenhängenden Ueberzuge versehen, daj> das kleine Ei
nicht durchdringeu kann.. Es wird vielmehr zwischen dem Ueberzuge und dem
Fruchthälter aufgehalten. Das Ei aber schwillt eben so wohl an, wie alle andern
Eier von Säugethieren, und so wird allmählig mehr von dem Ueberzuge abgetrennt***),
und der abgelöste Theil, der jetzt die untere Hälfte des Eies und, so
wie dieses sich vergrößert, mehr als die Hälfte des Eies bejdeidet, wird durch
‘ ■'*) M e c k e l’s Archiv für Anat. und Physiologie. 1830.
• **) Vergleiche die allgemeinen Bemerkungen zu den Studien für die Entwicklungsgeschichte de?
Menschen.
***) Sollte die Blutung, welche mehrere-Frauen im ersten Monate der Schwangerschaft erfahren,
nicht vielleicht Folge dieser Abtrennung seyn? Auf die Catamenien fällt diese Blutung wenigstens
bei einer Frau aus meiner Bekanntschaft nicht.