. Zweifel.
Uebertreibungen gerichtet, zum Theil schwach, da sie nicht auf .eigene und sorgfältig
an der Ausbildung derselben Thierform gemachte Beobachtungen sich stützen
konnten. Einzelne Ausnahmen mufsten auch nun wenig Gewacht haben, ohne
Einsetzung eiuer andern durchgreifenden Lehre. Da die, alhnählige Ilervorbil-
dung, des Etabryo aus ;täiner zarten homogenen Masse zu gewaltig an die Leibesbeschaffenheit
der niedersten Thiere eriunerte, so mufsten olle Eiuwiirfe als nur
gegen unbedeutende Kleinigkeiten, verschwendet erscheinen, wenn man nicht,
tjiese;Kebe*einstimmung anerkennend, noch ein anderes, verschiedenes-Verhält-
nifs uachzuweisen vermochte. ■
■lii Endlich-,mußte in neuester Zeit die Lehre von der Uebereiuslimmuug der
iudiwiduelleu Metamorphose mit der denkbaren Metamorphose des ganzen;Thier-
reiches ein besonderes Gewicht erhallen, als durch R a th k e ’s glänzende'Entdeckung
Kiemenspalten in den Embryonen der Säugcthiere und Vögel nachger
•wiesen und bald darauf sogar die Gefalse dazu aulgefunden w urden.
■ § .2 .
Z w e i f e l u n d E in w ü r fe .
Schon früh Avar meine Aufmerksamkeit auf das gegenseitige Verhältnifs
der bleibenden Thierformeu gerichtet, und was mir dabei zuerst zur Evidenz
wurde, war, dafs dieses Verhältnifs auf keinen Fall als einreihige Fortbildung
betrachtet werden könne. Eiue einreihige Fortbildung, wenn auch nur als logischer
■ Begriff, scheint aber für die bleibenden Thierformeu ganz nothwendm,
wenn sie sich in der Entwickelung des Individuums wiederholen soll.
Ich lernte daher diese Lehre mit Mifstrauen betrachten, und hatte sie bei
Untersuchungen des Hühnchens im Auge, überzeugt, die fortgesetzte Beobachtung
der Entwickelung Einer Thierart müsse ein sichereres Urtheil geben, als eine
Menge .einzelner, nicht zusammenhängender Vergleichuugen. Da nun meine
Untersuchungen mich überzeugten, dafs’der wesentliche Character des Wirbelthiers
ungemein früh im Hühnchen anftritt und die ganze Entwickelungsgeschichte
beherrscht, so wählte ich bereits im Jahre 182S meine Zweifel zum Gegenstände
eines akademischen Streitsafzes *). Indessen schien es passend, nicht früher öf-
Efi kömmt hier nur auf die Frage an, ob die Entwickelung eines Thiers im Wesentlichen
darin begründet ist, die Organisation bleibender Thierformen, die man als weniger entwickelt
betrachten kami, zu durchlaufen'^ oder mit andern Worten , ob die periodischen Verschiedenheiten
des Individuums und die Organisationsverschiedenheiten des ganzen ;Thierrei-
ches auf einander zurückgeführt werden können. Hiermit hängt nothwendig die Fragte zusam-
men, worin die Organisationsverschiedeüheiten des gesammten Thierreichés begründet sind.
*) Dissértatio' de fossilibus mammalium rcliquiis. Regiomont 1823. 4to, an welche die theais
angehängt ist: läegem a naturae jcrutatoribuj proclamatam , , evolutionem, quam prima attate
fentlich von ihnen zu sprechen, als bis ich eine Reihe von Untersuchungen vorlegen
würde. Auch war meine Ueberzeugung in Bezug auf jenes Gesetz damals
mehr negirend. Jetzt glaube ich ein anderes an die Stelle setzen zu können, und
die erste Abhandlung dieser Sammlung giebt, wie ich glaube, eine passende Gelegenheit,
dieses zu entwickeln.
Es wird nicht überflüssig seyn, vor allen Dingen einige Einwendungen
gegen die so eben besprochene Lehre anzuführen, die schön aus früheren Untersuchungen
Von Embryonen sich machen ließen und die dazu dienen mögen,1 in
denjenigen Lesern, welche ihr völlig zugethän sind-, dem Zweifel Raum zu geben.
Es kommt dabei gar nicht auf eine1 Vollständigkeit an. Auch werde ich mich mit
kurzen Andeutungen begnügen.
... .. Vor allen Dingen erregte es Bedenken in mir, dafs man fast nur die Entwicklungsgeschichte
der höchsten Formen kannte, die Entwickelung der Säuge-
thierc mit Inbegriff des Menschen und die der Vögel. Was nun in ihrem Embryonen
Zustande.'-Vom bleibenden abwich, mufste Wohl, wenn es irgend in der
Thierceihe eine Analogie fand, diese fast immer unter den niedern Thieren finden.
Dafs aber überhaxipt zwischen dem Embryonenzustande einzelner Thiere
und dem entwickelten Zustande anderer einige Uebereinstimmungen Vorkommen,
scheint.ganz nothwendig und nicht von Bedeutung. Sie können nicht fehlen, da
die Embryonen nicht außerhalb-der Sphäre der Thierwelt' liegen , und die Variationen,
deren: der thierische Leib fähig ist ,1 doch durch eine innere Verknüpfung
und Wechselwirkung der einzelnen Organe für jede Form bestimmt werden, wodurch
einzelne Wiederholungen nothwendig werden.
Um sich zu überzeugen, dafs ein solcher Zweifel nicht ganz ohne Gewicht
. ist, denke man sich nur, die1 Vögel hätten ihre Entwickelungsgeschichte studirt,
und'sie wären es, welche nun (len Ban dös1 ausgewachsenen Säugethiers und des
Menschen untersuchten. Würden- nicht ihre physiologischen Lehrbücher Folgendes
lehren können ? ,, Jene vier1-und zweibeinigen Thiere haben viele Embryo-
nenähnliohkcit, denn ihre Schädelknochen sind - getrennt, sie haben keinen
Schnabel, wie wir in den fünf oder sechs ersten Tagen der Bebrütung; ihre Extremitäten
sind ziemlich gleich unter sich, wie die unsrigen ungefähr eben so
,, lange; nicht eine einzige wahre Feder sitzt auf ihrem Leibe, sondern nur dünne
Federschafte, so dafs wir schon im Neste weiter sind, als sie jemals kommen,
ihre Knochen sind wenig spröde und enthalten, wie die unsrigen in der Jugend
* quodqiie suhlt animal, evolutioni, quam in animalium serie ohs^rvafxdam putant, respondere ’
a natura alienam esse cpntendo.
Cc 2