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Taf. IV.
Fig. 27.
man in' den Fruchthälter eine sehr kleine Oeffnung schneidet, allein es zerreifst
nothwendig und lallt zusammen, wenn man den Fruchthälter auch noch so wenig
auseinander biegt. In zwei Tagen bekommt es indessen so viel Consistenz,
dafs man nun das Ei mit seiner äufsern Eihaut herausnehmen kann.
Aus dem Gesagten wird es leicht einsichtlich, woher es kam, dafs H a lle
r das Ei plötzlich so grofs fand.
Freilich hätte er den innern Theil des Eies, den Dotter mit seiner Hülle
nicht übersehen sollen. Allein dieser hat unterdessen in den Hufthieren eine Metamorphose
erlitten, welche ihn sehr leicht unkenntlich machen konnte. Er zieht
sich nämlich so sehr in die Länge, dafs er dadurch einem überaus zarten Faden
gleich wird. Im Schweine beginnt die Verlängerung am Ilten oder 12ten Tage,
und am 13ten oder l4ten hat zuweilen der Dotter schon 20, die unglaubliche
Länge von 30 Zoll erreicht. Ich würde in der That diese Verlängerung selbst
nicht glauben, wenn ich sie nicht aufserordentlich oft, wohl in hundert Eiern
gesehen und wenn ich nicht den Mechanismus gefunden zu haben glaubte, durch
welchen das Ei ausgezogen wird. Der Fruchthälter aller Hufthiere hat nämlich
innere Vorragungen, in den Wiederkäuern jene napfförmigen Höcker, in den
Dickhäutern zahllose Falten von verschiedener Gröfse, welche tief in die enge
Höhlung hinein ragen und bei den Bewegungen des Fruchthälters den verlängerten
Dottersack fassen und gleichsam ausspinnen *). Die ausgesponnenen Fäden
liegen aber nicht grade ausgestreckt, sondern sind sehr mannigfach gewunden
und gekrümmt. Eine Folge davon ist, dafs das gesammte Ei, wenn die äufsere
Haut gebildet ist, bei weitem nicht die Länge des für die Messung grade ausgestreckten
Dotters oder Dottersackes hat. — Dafs diese langen Enden (Taf. IV.
Fig. 27.) in Bezug auf ihre Entstehung mit den Hagelschnüren verwandt sind,
ist eben so offenbar, wie die Verschiedenheit, die darin liegt, dafs sie aus der Dotterkugel
selbst hervorgezogen sind.
Doch ich sehe, dafs der Wunsch, Ihnen gleich von vorn herein das Räth-
sel zu lösen, wie es gekommen, dafs H a lle r das Ei, welches er mit so viel
Ausdauer in Schaafen suchte, so lange nicht finden konnte und dann plötzlich
ein sehr grofses Ei traf, mich ganz von meinem Gegenstände ab - und in eine Einzelheit
verlockt hat, welche mehr in spätere Vorträge gehört, in welchen wir die
Differenzen des Eies der Säugethiere und die Art wie die einzelnen Formen sich
ausbilden, verfolgen wollen. Jetzt kommt es nur darauf an, das Gemeinsame
*) Eben diese Vorragungen machen es auch völlig unmöglich, die äufsere Haut unverletzt
halten, so lang'e sie noch sehr zart ist.
zu ersame
aller Eier der Säugethiere und ihr Verhältnifs zum Ei der Vögel zu
finden.
Ich wurde aber in den Abstecher verführt, indem ich berichtete, wie ich
die Entstehung der äufsern Eihaut in den Hufthieren verfolgt habe. In den kurzen
und vom Fruchthälter eng umschlossenen Eiern des Hundes und des Kaninchens
bin ich noch nicht so glücklich gewesen, diesen Vorgang zu sehen, und
da ich an diesen Eiern, so lange sie lose im Fruchthälter liegen, zwei einander ein-
schliefsende Säcke erkannte, später, wenn sie vom Fruchthälter eng umschlossen
sind, ebenfalls zwei in einander liegende Säcke, von denen der äufsere deutliche,
schnell wachsende Zotten hat, so war ich geneigt zu glauben, die äufsere
aus dem Eierstock mit herüber gekommene Haut sey eben die spätere äufsere
Eihaut, die jetzt Zotten bekomme, in welchem Falle dann Dotterhaut und äufsere
Eihaut hier identisch seyn würden. Allein, da bei aller Verschiedenheit in der
äufsern Form die constituirenden Theile des Eies der Säugethiere sonst- gleich
sind, könnte man es wohl wahrscheinlicher finden, dafs in den genannten Eiern
die äufsere Haut ebenfalls sich neu bilde, freilich um eine sehr geringe Quantität
flüssigen Eiweifses. Eben diese geringe Quantität und die enge Umschliefsung
des Fruchthälters macht die Beobachtung der allmähligen Ausbildung fast unmöglich
, und ich habe, nachdem ich sehr viele Eier von Hunden aus dieser Periode
untersucht habe, nur zu dem Resultate gelangen können, dafs die zottentragende
Haut ungemein eng am Fruchthälter anlag, wie die äufsere Eihaut der Hufthiere.
Dafs aber, auch wenn sich keine neue äufsere Eihaut in den genannten Eiern findet,
die Differenz doch nur sehr gering ist, Iäfst sich leicht zeigen.
Wir hörten so eben, dafs sich die äufsere Eihaut der Hufthiere grade so
bilde wie im Vogel, nämlich als Ueberzug über eine Quantität Eiweifs. Ein Unterschied
besteht nur darin, dafs in den Säugethieren das Eiweifs bedeutend mehr
Wasser enthält. Wir erinnern uns ferner, dafs das Ei des Hundes, wenn es in
den Fruchthälter kommt, wie alle andere Säugethier-Eier eine äufsere Haut hat,
die wir Oberhaut genannt haben. Wenn nun diese Oberhaut das flüssige Eiweifs
hinlänglich durchlassen sollte, so dafs es sich unter ihr sammelt, so kann sich gar
keine Oberhaut für dafs Eiweifs bilden; es hat ja schon eine Bekleidung. Da
nun für das Ei der Raubthiere und der Nager in der That nur wenig flüssiges Eiweifs
erzeugt wird, da ferner ihr Fruchthälter so gebaut ist, dafs er frühzeitig
das Ei umschliefst, so wäre es wohl möglich, ja ich finde es wahrscheinlich, dafs
dann diejenige Haut, welche das Ei als Oberhaut mitnimmt, äufsere Haut des Eies
wird, oder eigentlich bleibt. Es käme also nur auf den Beweis a n , dafs sich
wirklich Eiweifs unter der Oberhaut sammelt. Dieser Beweis ist aber leicht ge-
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