Was die Ausbildungsweise des Eies anlangt, so hatte man schon im 17ten
Jahrhunderte in den. Eierstöcken der Säugethiere mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen
gesehen und ausführlich beschrieben, und nannte sie nach einem Beobachter derselben
: Graafsche Bläschen. Da derselbe Anatom ganz kleine Eier in den Eileitern
(Muttertrompeten) eines Kaninchens und etwas gröfsere im Fruchthälter gefunden
hatte, so zweifelte er nicht, jene im Eierstqcke gefundenen Bläschen seyen
die Eier, sie würden nur weiter geführt und entwickelten sich im Fruchthälter.
Allein er konnte nicht verhehlen, dafs die im Eileiter gesehenen Bläschen viel
kleiner waren als die im Eierstocke gefundenen *). Dieser Schwierigkeit ungeachtet,
und obgleich mehrere Beobachter weder in den Eileitern, noch im
Fruchthälter bald nach der Befruchtung etwas Anderes finden konnten als Flüssigkeit,
obgleich bald nachher ein oder mehrere Graafsche Bläschen entleert und
in eine feste Masse, das Corpus lu teum ,, umgewandelt gefunden worden, erhielt
sich doch die Graafsche Ansicht unter mehrfachen Einwürfen als die einfachste
und scheinbar natürlichste.
Indessen forderte der Gegenstand dringend eine neue gründliche Untersuchung.
H a lle r Verband sich zu diesem Zwecke mit seinem Schüler K u h le m
an n , und beide untersuchten Schaafe sehr häufig und von Tag zu Tage mehrere,
fanden aber zu ihrer und der anatomischen Welt Verwunderung vor dem 12ten
Tage gar nichts, dann etwas Schleim, der sich mehrte, am 17ten die ersten Spuren
des Eies, und am täten schon ein sehr grofses Ei mit dem Embryo.
Andere Thiere untersuchte H a lle r theils allein, theils mit einem andern
Schüler, I th , aber auch mit demselben Erfolge. Im Hunde wurde bis zum loten
Tage kein Ei gesehen **).
Hiernach mufste man sich zu der Ueberzeugung wenden, die Graaf’schen
Bläschen gäben für die Fortpflanzung nur'eine Flüssigkeit her, aus welcher viel
später das Ei in seiner ganzen Ausdehnung sich forme, wie durch ein von innerer
Nothwendigkeit gebotenes Gerinnen.
Aber auch bei dieser Ueberzeugung konnte man nicht mit Ruhe beharren
da ein Engländer, C ru ik s h a n k , am Ende des vorigen Jahrhunderts die Eier
der Kaninchen schon am dritten Tage nach der Befruchtung in den Eileitern
fand ***) und man] dadurch wieder zu der Graafschen Meinung zurückzukehren
Veranlassung hatte, wofür auch eine gewisse Aehnlichkeit (wenn auch nicht
*) G r a a f , D e m u li e ru m o r g a n i c . 1672.
**} H a lt e r , O p e r a m in o r a Vol. II. N. XXXII.
***) P h i lo s o p h i c a l T r a n s a c t i o n s 1797, und R e i ls Archiv Bd. II.
Uebereinstimniung) der Graafschen Bläschen mit den Dötterkugeln der Vögel zu
sprechen schien. Im ersten und zweiten Decennium des jetzigen Jahrhunderts bewiesen
Oken*) und Meckel**), dafs der Embryo der Säugethiere in der That
einen Dottersack habe, dafs das Nabelbläschen des Menschen und die E r y th r o is
anderer Thiere nichts anders sein könnten und dafs diese Theile in früherer Zeit
offen mit dem Darme communicirten, wie der Dottersack der Vögel. Auch die
andern Theile der Eihüllen zeigten eine Uebereinstimmung. Die Evidenz des Beweises
wurde jedoch nicht allgemein anerkannt. D u tro c h e t und C u v ie r führten
die Analogie zwischen dem Säugethier-Ei und dem Vogel-Ei noch weiter
durch, und bewiesen insbesondere, dafs die Allantois wie beim Vogel in Gemeinschaft
mit einer äufsern Eihaut das Chorion bilde, C u v ie r zweifelte aber (wie
schon früher Im m e r t und später F le is c hm a n n ) ander offenen Communication
des Nabelbläschens und der Erythrois mit dem Darme. Auch hatten beide die
Entstehungsweise der Allantois nicht auffinden können. ***) Ich verfolgte später
jene Bildungsweise der Allantois und des Chorions näher in ihrem Fortschreiten
nach den verschiedenen Formen, die sie annimmt, um zu beweisen, dafs die Verschiedenheit
des Chorions durch den Fruchthälter bedingt werde f). Wie aber
die äufsere Eihaut entstehe, hatten D u tr o c h e t und C u v ie r ganz unberührt
gelassen, eben so wie P r é v o s t und Dum a s, welche nicht nur wieder das Ei des
Hundes in den Eileitern gefunden, sondern die Aehnlichkeit des jüngern Säugethier
Embryo mit dem Vogel-Embryo in vielen Einzelheiten nachgewiesen hatten
f f ) . Da ich das Ei im Graafschen Bläschen als sehr kleineDotterkugel aufge-
funden hatte y ’ft)» war ich geneigt zu glauben, die äufsere Eihaut sey eine ursprüngliche
aus dem Eierstocke mitgenommene. Bald darauf aber gelang es mir an Huf-
*)- O ken’ s und K ie s er’s Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Physiologie 1807. 4.
**) W o lff: Ueber die Bildung des Darmkanals im Hühnchen, übersetzt mit einleitender Abhandlung
von M e c k e l 1812. 8.
***) C u v ie r , M ém o ir e s du Mu séum d 'h is to ir e n a t u r e l l e Vol. III. (1817). D u t r o c h e t
zuletzt in Mem. d e l a s o c i é t é m é d i c a le d ' ém u la tio n. Vol. IX. (1826),
•J*) B a e r , Ueber die Gefäfsverbindung zwischen Mütter und Frucht. 1828, Gratulationsschrift zu
Sömmerrings Jubelfeier.
A n n a le s d e s s c ie n c e s n a t u r e lle s . Tome III, p. 118. (1834).
•j-f-j-) B a e r , D e o v i m am m a liu m e t h om in is g en e s,i E p i s to l a 1827. XV. Dieses
Vorkommen des Eies innerhalb des Graafschen Bläschens ist seitdem von S h a r p e y ,
T h om s o n (E d in b , n ew p h i lo s . J o u r n a l 1830. Oct.) und S e i l e r {Die Gebärmutter und
das Ei des Menschen. 1832.) bestätigt worden, — Auch darin findet es seine Bestätigung, dafs
seit der Erscheinung meiner Schrift mehrere Naturforscher glauben , das Ei schon früher gesehen
und als solches erkannt zu haben. Herr Dr. F la g g e hat zur Begründung seiner Ansprüche eine
besondere Abhandlung in M e c k e l’s Archiv für Anat. u. Physiol. Jahrg. 1829. S. 193 — 202. eingerückt,
in welcher er nachzuweisen sich bestrebt, dafs nicht nur von ihm das wahre Ei oder