in das Verhältnifs zwischen Wirbelthieren und gegliederten Thieren wesentlich
gehört. Die Theorie der Kieferbildung würde uns mehr fern liegen, wenn sie
nicht auf die Ansicht von der Bildung der Extremitäten zurückwirlcte. Dafs
nämlich Kiefern und Extremitäten Modificationen eines Grundtypus sind, ist
augenscheinlich, und es dürfte wohl jetzt nach Ok en von den meisten Naturforschern
anerkannt seyn, welche nicht überhaupt die Grundlage eines allgemeinen
Typus, aus welchem die Mannigfaltigkeit des Baues entwickelt ist,
läugnen. Die Kiefern aber nähern sich so sehr der Natur der Rippen, dafs man
von ihnen einen Grund hernehmen kann, auch die Extremität des Rumpfes für
verstärkte Rippen anzusehen. Ich erlaube mir daher noch einige Bemerkungen
über die Kiefern.
Wir haben schon oben für die Extremitäten des Rumpfes erkannt, dafs
ihre Wurzelglieder sich der Natur der Rippen nähern können, dafs in den Fällen,
wo die Extremität sich an die Wirbelsäule anlegt, sie zugleich die Natur der
Rippen mit ihrer innern Fläche annimmt, mit der äufsern aber dem ursprünglichen
Verhältnisse, einen äufsern Bogen zu bilden, treu bleibt, dafs aber nur
die eine Extremität dieses Doppelverhältnils erreicht, weil sie,'ihrer Beziehung
zu der Last des Rumpfes gemäls, eine festere Anheftung sucht. Dasselbe können
wir auf die Kiefern anwenden. Sie haben nieht das Kopfskelet zu tragen, sollen
aber die Nahrung fassen, halten und zerdrücken. Dieses geschieht, indem sie
sich gegen einander bewegen. Das Zerdrücken wird aber am vollkommensten
erreicht, wenn das eine Paar dieser GHedmaafsen mit dem Kopfskelette verwachsen
ist, um eine feste Unterlage dem Drucke des andern Paares entgegenzustellen.
Das finden wir nun in derThat, denn die vordem Kiefern sind gewöhnlich
mit dem Schädel verwachsen. Wir haben also auch am Kopfe ein
Kiefern-Paar, welches in der Regel verwachsen ist (mit Ausnahme nämlich der
niedern Wirbelthiere), während das andere beweglich bleibt, wie wir am
Rumpfe (wieder mit Ausnahme der niedern Wirbelthiere) ein verwachsenes und
ein freies Extremitäten-Paar fanden. Dafs im Kopfe das vordere Paar der Glied-
maafsen verwächst, im Rumpfe das hintere Paar, hebt die Analogie nicht auf,
sondern bestätigt sie, denn wir finden zuvörderst darin die Wiederholung der
Uebereinstimmung der beiden Enden des Leibes, wie sie schon die an beiden
Enden sich 'zuspitzende Wirbelsäule und manches andre Verhältnifs zu erkennen
giebt. Hier ist aber insbesondere nicht zu übersehen, dafs vermöge der Hirnbildung
der Schädel nach vorn stärker entwickelt ist, als nach hinten, und er
also vorn mehr Fähigkeit hat, als hinten, den festen Punkt für die Kieferbewegung
abzugeben, daher mit ihm der vordere Kiefer aus demselben Grunde
ververwächst,
der am Rumpfe die hintere Extremität zur Verwachsung bestimmt.
In der That finden wir in denjenigen Thieren, wo der vordere Theil des Hirnes
besonders stark entwickelt ist, in den Säugethieren, die vorderen Kiefer inniger
verwachsen, als in andern Thierklassen, wo sie mehr oder weniger beweglich
sind. Es ist daher auch ganz übereinstimmend mit dem für die Bauchextremität
Gefundenen, wenn die Oberkiefer zugleich die untern Wirbelbogen des Kopfes
wiederholen. Die Seiteuwände der Nasenhöhle haben offenbar Uebereinstimmung
mit den Gaumenbogen und diese mit den absteigenden Flügeln des Keilbeines,
sie alle sind Wände einer plastischen Höhle, und gewifis die untern Bogen der
Schädelwirbel, was am Keilbeine besonders deutlich ist. Die Zahnränder des
Oberkiefers, die über den Schlufs jener untern Bogen der Schädelwirbel hinausragen
, haben aber offenbar eine andere Bedeutung, eben so das äufsere Blatt des
Oberkiefers höherer Thiere. Die Kieferhöhle der Säugethiere scheint mir nichts
als eine Lücke zwischen dem Theile des Oberkiefers, der ursprünglich die Bedeutung
der untern Bogen der Schädelwirbel hat, und dem Theile, der in der
Bedeutung der Extremitäten steht.
Hiermit haben wir angedeutet, dals im Oberkiefer der höheren Thiefe
eine zweifache Grundbeziehung vereint ist, wie im Becken der höheren Wirbelthiere.
Um zu zeigen, wie dieses Verhältnifs sich allmählig ausbildet, schlagen
wir einen andern Weg ein.
Wenden wir uns an diejenigen Wirbelthiere, die dem Grnndtypus am
nächsten stehen, die Fische also, so finden wir in ihnen die Kiefern sehr verschieden
gebildet; In vielen sind beide Kiefern vorstreckbar, keiner also ist angewachsen
, wie denn auch die Fische diejenigen Thiere sind, in welchen das
Becken gar nicht mit der Wirbelsäule unmittelbar verbunden ist. In den Extremitäten
erkannten wir zwei Hauptformen, solche, welche den Leib nicht zu
tragen haben, und solche, die ihn tragen.' Die ersteren wirken einfach durch
Stofs auf das,Element, in welchem sie den Leib fortbewegen, und das hintere
Ende der Wirbelsäule nimmt dann immer an der Fortbewegung Antbeil, die
letztem sind die einzigen, welche (wenn auch, nicht in allen Formen) Gegenstände
der Aufsenwelt fassen und gegen den Leib bewegen können. Die ersteren sind
zweigliedrig, die andern viergliedrig. Die Kiefern zeigen uns auch 2 Ilaupt-
formen. Entweder finden wir in dem ganzen Kiefergerüste nur ein Gelenk —
wie in den Säugethieren und einigen Amphibien, oder zwei Gelenke — wie in
allen den Formen, in denen ein an beiden Enden beweglicher Quadratknochen
ist, ja in seltenen Fällen, wie im Stör, sogar drei Gelenke. Das obere Gelenk
scheint aber den Inbegriff der hintern Kiefern nicht zu schliefsen. Ein Theil
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