Taf. IV.
Fig. 21.
Taf. IV.
Fig. 22.
Harnsack klein bleibt. Im Uebrigen ist aber die Weiterbildung des Harnsackes
selbst, so wie die Gestalt und Gröfse die er erreicht, $ sehr verschieden.
Am ähnlichsten dem Vogel-Ei ist diese Weiterbildung des Harnsackes in
den Eiern der Raubthiere. Hier schiebt er sich von der rechten Seite des Embryo
über dessen Rücken fort bis an die linke Seite uud würde sich überall selbst erreichen.
wenn nicht der ansehnliche Dottersack links und unten ihn aufhielte. Dennoch
erreicht er an der Oberfläche des Eies, d. h. an der äufsern Eihaut, wirklich
sich selbst, und es bleibt nur nach innen ein dreiseitiger Raum von ihm nicht ausgefüllt
, in welchem der Dottersack liegt. In der innern', dem Amnion anliegenden
Hälfte des Sackes entwickeln sich die Blutgefafse wenig. Diese innere Hälfte
nannten manche ältere Anatomen die mittlere Haut (Membrana m e d io ), Du -
t r o c h e t aber JEn d ochorion. In der obem, welche mit der äufsern Haut zu
einem Chorion verwächst, wuchern sie dagegen in die Zotten dieses Chorions und
erzeugen die reichen Gefäfsnetze, welche den Fruchtkuchen zusammensetzen. In
beiden Hälften bleiben aber Gefäfshautschicht und Schleimhautschicht völlig an
einander haften wie im Vogel-Ei.
Ganz anders ist es im Ei der Hufthiere. Der Harnsack wächst so wenig
in die Breite, dafs er nicht mit einem doppelten Gewölbe das Amnion überdeckt,
sondern neben ihm liegt. Dagegen wächst er so aufserordentlich in die Länge,
dafs er, so lang auch das Ei der Hufthiere von der frühesten Zeit an ist, keinen
Raum findet, sondern an beiden Enden die äufsere Eihaut dürchreifst und aüs ihr
heraustritt. Ueberhaupt hat der Harnsack in denHufthieren und besonders in den
Wiederkäuern die gröfste Ausdehnung.
Auch lösen sich in den Hufthieren die beiden Blätter , auä denen der Harnsack
besteht, und die in den Raubthieren wie in den Vögeln stets auf das innigste
verbunden bleiben und nur als Schichten zu unterscheiden sind, vollständig von
einander (Taf. IV. Fig. 22.). Sobald nämlich der Harnsack mit seiner äufsern
Wand die Schicht festeren' Eiweifses erreicht hat, welche unter der äufsern Eihaut
liegt, so hebt sich das Gefäfsblatt vom Schleimblatte ab und die Gefafse wuchern
in jenes hinein. Die Trennung erfolgt rasch und wird dadurch vermehrt, dafs
nun eine Lage dickeren Eiweifses sich unter dem Gefäfsblatte sammelt. Dieses
Eiweifs erreicht nach der Gröfse des Eies eine Dicke von t bis 2 Linien. Wenn
man es aber sich mit Wasser vollsaugen läfst, kann man es um die Mitte des Embryonenlebens
wohl einen halben Zoll dick finden.
Wenn ich diese Substanz, sowohl als die, welche in geringerer Quantität
sich zuvörderst unter der äufsern Eihaut sammelt, Eiweifs nenne, so will ich damit
nicht behaupten, dafs sie die chemische Beschaffenheit des Eiweifses im Vogel
Ei hat. In der That würde sie in chemischer Hinsicht mehr den Namen Gallert
verdienen, weil sie-sich diesem äh nlich verhält. Aber grade so verhält sich
das Eiweifs der Eier von Batrachiern und anderu Thieren. Mit dem Worte Eiweifs
habe ich also nur eine ungeformte und durchsichtige, zur Ernährung dienende
und dem Ei später als der Dotter zugekommene Substanz bezeichnen wollen,
die Substanz, welche B u rd a c h den secundären Fruchtstoff nennt: eine Bezeichnung
, die die physiologische Bedeutung sehr passend bezeichnet und die ich angewendet
haben würde, wenn ich sie für den Gebrauch nicht zu lang gefunden hätte.
Aus dem Gesagten geht hervor, dafs in den Hufthieren nach der Trennung
des Harnsackes in seine Blätter oder in zwei in einander steckende Säcke das Ge-
fafsblatt theils vermittelst des Eiweifses an die äufsere Eihaut sich anlegt, worüber
wir bald mehr hören werden, theils an die benachbarte Gegend des Amnions (doch
nicht um das ganze Amnion herüber), und dafs ein vollständiger Sack, nur aus
der Schleimhaut gebildet, zurückbleibt. Er ist ganz gefafslos, dünn und ungemein
durchsichtig, obgleich ziemlich fest. Dieser Sack ist es, den man ursprünglich
Ä lla n to id e s oder A lla n to is genannt hat und wofür wir diesen Namen beibehalten
haben. Der Harngang geht nothwendig in ihn über.
Eine dritte Hauptverschiedenheit des Harnsackes zeigt sich in den Nagern.
Er schlägt sich weder über dem Amnion weg, noch liegt er neben ihm, sondern
ihm gegenüber bleibt er an der Bauchseite des Embryo (Fig. 20. Taf. IV-). Dabei
ist er zwar cylindrisch, doch kaum länger als das Amnion, gegen die Raubthiere
und Hufthiere also klein zu nennen. Auch ist er, natürlich mit Ausnahme der frühesten
Zeit, eine wahre Allantois. Nur die gefäfslose Schleimhaut nämlich ist in die
bezeichnete Länge ausgedehnt, die Gefälse sind von ihr abgehoben uud weichen, die
Allantois umfassend, in den Fruchtkuchen,
Eine vierte Hauptform sehen wir im Menschen, wo der Harnsack ungemein
klein bleibt und nur in der frühesten Zeit der Entwickelung thätig zu seyn scheint,
Dafs es hier aber noch nicht mit voller Sicherheit bestimmt werden kann, ob und
wie sich ein Gefäfsblatt abhebt, und ob das, wenigstens bis zur Mitte des zweiten
Monats nachweisbare Säckchen eine Allantois oder ein vollständiger Harnsack sey
— darüber werden wir später ausführlich sprechen (§. 10 t. u. und Studien u,
s. w.)*). ;
Mit Ausnahme der frühesten Zeit findet man an der Oberfläche des Säugethier
Eies immer Gefäfse , welche das Blut der Frucht dem Einflufs desFruclithäl-
ters aussetzen. Obgleich der Umfang dieser Gefafse in den verschiedenen Familien
*) Dieser Sack ist in den Durchschnittsfiguren von Taf. IV. und auf Tafel V. m it/u n d g bezeichnet.
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