Hauptfor men.
c. Rückschritte
liegen
nur in
unsrer Vorstellungsweise.
für jede Thierart die allseitigen Verwandtschafts Verhältnisse zu bestimmen, als die
Stelle in einer allgemeinen Stufenleiter. Sucht man aber nach einer Stufe der Ausbildung,
so wird man diese nur nach dem Maafse der Sonderung der Theile und
innerhalb des Typus, dem das Thier angehört, aufzusuchen haben. Dafs aber
wirklich di,e hergebrachten Vorstellungen von einer Stufenleiter Leiter unserer Ansichten
geworden sind, dafür glaube ich doch noch einige Beweise aufstellen und
beleuchten zu müssen.
Man spricht so oft von Rückschritten in der Metamorphose einer ganzen
Thierform oder eines einzelnen Organes. Sollte sich; unter solchen Rückschritten
wirklich etwas klar denken lassen, wenn man nicht annimmt, dafs die Gestaltung
eines Thiers das Bedingende der Gestaltung eines andern Thiers ist? So viel ist
aber wohl einsichtlich, dafs einer solchen Darstellung schon die Vorstellung einer
Stufenleiter zum Grunde liegt. Wenn man nämlich die offenbar verwandten Thiere
zusammenstellt und nun sie mit den Formen ihrer höchsten Ausbildung an eine
andere Reihe unten anschliefst; so wird man in dieser einen Rückschritt erkennen.
Ich will nur kurz an das oben (Scholion V. §. 8.a.) benutzte Beispiel der Fische
erinnern. Ja man spricht von dem Rückschritte einzelner Organe, und'Sefzt dann
doch voraus, dafs jedem Organe eine fortschreitende Entwickelung von der Monade
zum Menschen zukomme, und dafs diese Entwickelung nach der Reihenfolge
der Thiere realisirt söyn sollte, wovon man denn nun die einzelnen Ausnahmen
angiebt. Sind aber die Organe Modifieationen von Fundamentalorganen , und
diese verschieden nach dem Schema der Entwickelung « (Vergleiche das folgende
Corollarium)j so scheint in der Aufgabe selbst eine irrige Voraussetzung zu liegen[
Ich glaube daher, dafs es für die vergleichende Anatomie, wenn sie auf die Erkern)
tnifs der Bildungsgesetze gerichtet seyn soll, der einzig richtige Weg ist, au-
fser der steten Beziehung zu einem Grundtypus, dem das ganze Thier angehört
die Organe für sich in den verschiedenen Formen zu vergleichen,: wie B u rd ä c h
in seiner Physiologie unternommen hat, ohne die Formen so an einander Zu reihen
wie man die Thiere, denen sie angehören, in anderer Beziehung für mehr oder
weniger ansgebildet hält. Man wird dadurch erkennen, wie die allgemeine Bildung
des1 ganzen Körpers eines Thiers , oder sein Verhältnifs Zur Aufsenwelt, auf
die Gestaltung der einzelnen Organe einwirkt und sich von verführenden Voraussetzungen
frei halten.
Dafs aber diese Rückschritte in der Ausbildung der Organe nur ein Schein
sind, der auf einer vorausgesetzten einreihigen Ausbildung beruht, sieht man am
deutlichsten daraus, dafs sie schwinden, wenn man die Thiere nach einem andern
organischen Systeme ordnet , als man eben zum Grunde gelegt hat. Ich hebe‘ein
Bei-
Beispiel für viele hervor. Wenn ich die Ueberzeugung habe, dafs die gegliederten
Thiere in Eine Reihe fortgehender Ausbildung zu stellen sind, und sie nach
der Ausbildung im Gefäfssysteme ordne, so kann ich sie so auf einander folgen
lassen: Wahre Insecteu, Myriapoden, Aracbniden, Anneliden. Dann sind die
Augen durch die ganze Reihe zurückschreitend. Ordne ich sie nach den Sinnesorganen
und insbesondere nach den Angen, so sind umgekehrt die Gefäfse riick-
schreitend. Von den Athmungsorganen und dem Gefäfssysteme versteht es sich
ohnehin von selbst, dafs das eine gegen das andere zurückschreitend scheint, da
diese Systeme sich antagonistich bedingen. Betrachte ich sie als Modifieationen
eines Grundtypus, in welchen bald dieses, bald jenes System mehr aus der einfachen
Grundform umgebildet ist, so fallen alle Rückschritte, weg.
Was ich hier von den gegliederten Thieren gesagt habe, um ein anschau- rl^ tV^nVa~
liches Beispiel für sie.zu wählen, gilt durchaus nicht für sie allein, auch nicht sind in ver-
blofs für das antagonistische Verhältnifs von Athmungsorganen und Gelafssystem. Systemen "
Es zeigt sich überall, wo überhaupt die Variation mannigfaltig ist. Ueberblicken «rsciueden.
wir die verschiedenen Formen der Säugelhiere, so finden wir für eine Reihe von
Organen andre Verwandtschaften, als für eine andere. Nehmen wir auf die
Bildung des animalischen Theiles Rücksicht, die wir am Skelette am deutlichsten
abmessen, so sind die Fledermäuse von allen eigentlichen Vierfufsern gar sehr
verschieden. Wir müssen in ihnen die am meisten abweicheude Ordnung bilden.
In Hinsicht der Verdauungsorgane sind sie den Insectenfressern gleich. P a lla s ,
der in der Zoographia rosso- asiatica die Fledermäuse mit dem Maulwurfe eng
verbindet, scheint mir daher eben so viel Recht zu haben, als T i e d e m a n n
der ungefähr gleichzeitig sie in seiner Zoologie weit von einander trennt. Aus
denselben Gründen verbindet T ie d em a n n den Seehund mit dem Dugong, die
bei P a lla s weit aus einander stehen. Dieser hat die Extremitäten, jener die
Zähne gelten lassen. Was lehren solche Beispiele anders, als dafs die verschiedenen
organischen Systeme verschieden varijren. Maulwurf und Fledermaus
suchen dieselbe Beute, jener in der Erde, diese in der Luft. Ihre Bewegungsorgane
sind daher verschieden nach dem Aufenthaltsorte. Der Dugong und der
Seehund sind beide im Wasser, haben ilossenartige Extremitäten, aber was sie
im Wasser suchen,' ist ganz verschieden. So ihr Gebifs und ihr Magen.
Giebt unter solchen Verhältnissen eine Annäherung aii den Menschen nicht
immer für jedes organische System eine verschiedene Thierreihe, und wenn das
ist, sind die Rückschritte nicht sinnlos ? Es ist überhaupt der Mensch wohl nur
in Hinsicht seines Nervensystems und dem, was zunächst damit verbunden ist, die
höchste Form der Thiere. Der aufrechte Gang ist nur Folge der hohem Ent-
Hh