und dort verharren. Die Mitte des Darmes, die wir später entfernt von der Wirbelsäule
finden, lag ursprünglich auch dicht unter ihr und entfernt sich erst später.
Es trennt sich also der vegetative Theil des Embryo vom animalischen, statt
nach jener Ansicht sich ihm zu nähern. Dals ein Theil des Darmes aus der Leibeshöhle
hervor- und dann wieder in dieselbe zurücktritt, ist ein sehr viel späterer
Vorgang, von dem wir sogleich sprechen werden. — Allerdings bekommt der
Dottersack zwei Zipfel, wenn wir den Dottersack und den Darm als ein Ganzes
betrachten. Aber diese Zipfel — die beiden Darmenden — bilden sich im Vogel
(wie im Säugethier und Reptil) nur dadurch, dals der oberste Theil des Dottersackes
sich durch eine Verengerung vom übrigen viel gröfsern Theile, dem
eigentlichen Dottersacke, abschnürt. Da ferner ein ganz ähnlicher Vorgang im
animalischen Blatte den Hautnabel erzeugt, so glaube ich mit dem Ausdrucke Abschnürung
die Wesenheit des Vorganges am treffendsten bezeichnet zu haben*).
Der abgeschnürte Theil des Dottersackes ist der Darm.
Der Darmkanal ist bis auf die Zeit, wo Munddarm und Afterdarm Zusammenstößen,
noch ziemlich gerade und hat wenig Verschiedenheit in seinen einzelnen
Abschnitten. Deshalb nennt NY o lff ihn bis zu dieser Zeit den Urdarm,
) In wie weit dabei auch von einem Hineinwachsen, aber in einem viel ger ingem Maalse gesprochen
werden kann , habe ich im ersten Theile S. 46 aus einander gesetzt. Aber eben dieses Hineinwachsen
ist mehr ein Hineinstülpen durch die Abschnürung, indem wirklich ein Theil der
Kopfkappe die untere Wand des Munddarmes wird. O k e n sagt auch in Bezug auf die Darstellung
im ersten Theile : ,,D a f s die Därme in ihrer M itte kein Loch haben , und mithin sich
nicht im Blinddärme schliefsen k önn en , dächten w ir , wäre eine Sache, die man einem neuern
Physiologen nicht mehr vorzn'sagen nöthig haben so llte .” Ein L o ch , das aus der gesummten
Frucht herausführt, ist freilich nicht da. Auch ist davon n i r g e n d s g e s p r o c h e n , so wie überhaupt
das Wort „L o c h ” g e flis s e n tlic h vermieden is t , weil man dabei zu leicht an Aufhebung einer Con-
tinuität denkt. Aber von Oeffnungen des Darmes, von Uebergängen und Eingängen aus dem
Dottersacke in den Darm und umgekehrt, ist öfter gesprochen worden. Und warum nicht ? Es
bilden doch offenbar Dottersack undDarm zusammen den Verdauungsapparat desEmbryo. Wenn
ich nun den abgeschnürten TheilDarm n en n e , warum soll ich d enn, um von der Continuität der
Höhlung zu sprechen, nicht sagen dürfen, dafs der Darm gegen den Dottersack eine Oeffnung
oder einen Eingang h o t, so gut wie der Magen gegen die Speiseröhre oder umgekehrt eine OefE-
nung oder einen Eingang hat? Oder soll keine Continuität der Höhlung da sein? Ich weifs wohl,
dals auch in neuer und selbst in neuester Zeit von Herrn D r. P l a g g e (in H e c k e r ’s Annalen der
Heilkunde 18S9. F ebr.) die B ehauptung aufgestellt ist, der eigentliche Darmkanalnähme als ein von
Anfang an geschlossener Kanal seinen Ursprung aus der F o v e a c a rd ia ca . Allein da es n icht meine
Absicht seyn k on n te , auf eine Widerlegung aller Behauptungen einzugehen , so habe ich n ur solche
Meinungen beleuchtet, welche noch bei Kennern des Faches gelten. Diese schienen mir aber
über das Nichtgeschlossenseyn des Darmes einig. Auch ist nichts leichter einzusehen. Oke n
kann jene Meinung Anderer unmöglich verfechten w o llen , da sie gegen alle seine Ansichten
wäre. Es ist in der That schwer, den gemachten Vorwurf zu verstehen. Bezieht er sich, etwa
darauf, dafs ich den Darmkanal nicht aufserhalb der Bauchhöhle entstehen lasse? Dann ist die
Natur strafbar, nicht ich. Und nun der Blinddarm ! Von diesem habe ich doch nichts gesagt.
In te s tin um p r im i t iv u m . Er hat in seiner ganzen Länge zwei Schichten,
eine innere aus einer Schleimhautröhre bestehende, und eine äufsere aus der Ge-
fälsschicht gebildete. Ueber ihm setzt sich die Gefäfsschicht durch das Gekröse
bis zur Wirbelsäule fort. Das Gekröse wird durch die beiden Gekrösplatten gebildet,
welche mit ihren obern Rändern an der Wirbelsäule angeheftet bleiben,
während ihre untern Ränder sich zuerst nach unten stellen und dann einander nähern,
die Schleimhaut von der Wirbelsäule entfernend, und zuletzt über ihr mit
einander verwachsen. Den kurze Zeit bestehenden Zwischenraum zwischen beiden
Gekrösplatten habe ich die Liicle des Gekröses genannt*).
Ferner erinnern wir aus dem Frühem, dafs schon vor der Darmbildung das
animalische und das vegetative Blatt der Bauchplatten mit Ausnahme der beiden
äufsersten Enden sich von einander entfernt haben und dafs dadurch an jeder Seife
von Herz und Darm eine rinnenförmige Lücke gebildet wird, welche beide zusammen
die Leibeshöhle bilden**).
Der so gebildete Speisekanal ist das Primitivorgan nicht nur für den gesamm-
ten Verdauungsapparat, sondern auch für den Athmungsapparat und einen Theil
des Harn- und Geschlechtsapparates. Werfen wir jetzt einen Blick auf die einzelnen
Theile J
Das vorderste Ende, das vom dritten Tage an zu einem weitern Trichter t. Rachen-
sich gestaltet, wird um diese Zeit wohl am besten mit dem Namen der Rachen- hDll,e'
höhle bezeichnet. Bald aber bilden sich Unterkiefer und Oberkiefer aus, dieHöhle
wird dadurch in ihrem vordersten Ende nach unten und vorn verlängert, und diese
Verlängerung ist die Mundhöhle. Indem beide Oberkieferhälften und die Seiten- u. Mundäste
des Stirnfortsatzes unterhalb der Nasengrube zusammenwachsen und sich auch hohIe-
nach hinten zu einer Wand (dem Gaumen) mit den entsprechenden Theilen der
andern Seite verbinden , werden die Nasenhöhlen von der Mundhöhle abgeschie- u. Nasen
den. Die Nasenhöhlen sind anfänglich sehr kurz, werden aber durch Verlänge- hol’,en
rung des Gaumens allmählig länger, doch reicht ihr hinterer Ausgang nicht viel
über die Mitte der gesammten Decke der Mund - und Nasenhöhle hinaus. — Im
hintern Theil der Rachenhöhle bilden sich am dritten Tage auf jeder Seite drei
Spalten, die man wegen ihrer Uebereinstimmung mit ähnlichen bleibenden Spalten
der Fische Kiemenspalten nennen mufs. Im Vogel-Embryo verharren sie Kiemensp.i-
aber nicht lange. Schon am dritten oder vierten Tage pflegt die erste zu verwach- ten'
*) Diese Lücke ist es, welche W o lff wenigstens so lange als die Schleimhaut noch anliegt „Darm-
rinne'* F i s tu l a i n t e s t i n a l i s nennt, weil er sie von der Höhlung des Darmes nicht unterscheidet.
Das ist sein Hauptversehen.
JEine solche rinnenförmige Lücke, die Hälfte der Bauchhöhle, nennt W o lff F i s tu l a a b d o m
in a l i s , was Meck e l mit Unterleibsrinne übersetzt.