Soviel ist auf jeden Fall gewifs, dafs keine der
Bewegungen, die bei den Pflanzen vor sich gehen,
durch einen plötzlichen Uebergang von Ausdehnung in
Zusammenziehung und von dieser in jene bewirkt wird.
Durch eine solche plötzliche Veränderung der Dimensionen
äussert sich das Bewegungsvermögen nur bei
den Thieren. Die thierischen Bewegungen unterscheiden
sich zugleich von den vegetabilischen darin,
dafs die, welche durch äussere Organe hervorgebracht
werden, in der Regel einen äussern, unmittelbaren
Zweck haben und willkührlicher Art sind; dafs hingegen
die automatischen um so weniger nach aussen
hervor treten, je höher die Stufe der thierischen Natur
ist, worauf sie statt finden, und dafs mit dem Herabsinken
von den höhern Stufen des Thierreichs zu
den niedrigem die Organe der willkührliclien und
automatischen Bewegungen immer mehr in einander
übergehen. Bei den Pflanzen sind umgekehrt die
äusserlichen Bewegungen in der Regel automatische,
und die, welche den Schein der Willkühr haben,
blos Folgen innerlicher, unter andern Umständen der
Willkühr nicht unterworfener Veränderungen.
Zwischen der Ausdehnung und Zusammenziehung
der thierischen Bewegungsorgane giebt es bei den
untern Thieren ein anderes Verhältnifs als bei den
höhern. In jenen Organen ist bei den Zoophyten,
Würmern und Mollusken Ausdehnung das Erste, Zusammenziehung
das Untergeordnete. Sie schwellen
weit über den Raum hinaus an, den sie vermöge
m
ihrer blofsen Elasticität einnehmen, und ziehen sich
nicht viel weiter als bis zu diesem Raum zusammen.
Hingegen nehmen die willkührlichen Bewegungsorgane
der Insecten, der Crustaceen und der sämmtlichen
Wirbelthiere im Zustande der Ausdehnung keinen viel
gröfsern, bei der Zusammenziehung einen weit kleinern
als diesen Raum ein. Theile, die bei ihnen ein stärkeres
Anschwellungsvermögen besitzen, sind in der Regel
blos automatischer Bewegungen fähig. Mit diesem
Unterschied steht ein zweiter in Verbindung. Alle
Thiere, deren Bewegungsorgane vorzüglich durch Anschwellung
wirken, besitzen keine innere, articulirte
Knochen oder Gräten; hingegen bei denen, deren
willkührliche Bewegungen vorzüglich durch Zusammenziehungen
der bewegenden Organe geschehen, sind
diese Organe an gegliederten, starren Theilen befestigt,
vermittelst welcher die Bewegungen nach den Gesetzen
des Hebels vollzogen werden.
Die Vereinigung der Organe, die bei den höhern
Thieren blos für die willkührliche Bewegung bestimmt
sind, mit denen, die bei diesen blos automatische
Bewegungen hervorbringen, ist am engsten bei den
Infusorien. Die äussern Bewegungen und die Processe,
wodurch die Ernährung geschieht, gehen bei diesen
gleichzeitig von derselben Ursache aus. Sie ruhen
deswegen nie und sind die beweglichsten aller thierischen
Wesen. Eben darum läfst sich aber keine
Willkühr in ihren Bewegungen annehmen. Man kann
diese selbst bei den gröfsern unter ihnen, an welchen
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