Fragt man, welcher Weg dieser ächte ist, so
antworte ich: der nehmliche, auf welchem man in
allen Erfahrungswissenschaften zu Wahrheiten gelangte.
Der Menschheit war in ihrem Kindesalter jedes Phänomen
isolirt, jedes Wirkung eines eigenen Princips.
Nachdem die Erscheinung nicht mehr blos wahrgenommen,
sondern auch unter verschiedenen Umständen
und in ihren einzelnen Theilen beobachtet
war, erkannte der reifere Verstand in ihr und andern
ein Gemeinschaftliches. Er entdeckte gewisse allgemeine
Erscheinungen, die in den einzelnen wiederkehrten.
Diese wurden ihm Principe der Erklärung.
Die Erklärung leitete ihn auf Versuche, und der Versuch
führte zur Gewifsheit, wenn Maafs, Gewicht
und Rechnung bei demselben anwendbar waren. Diese
Anwendung ist zwar nur in wenig Fällen bei den
Erscheinungen des Lebens möglich, und eben darum
ist es so sehr viel schwerer in der Biologie als in
der Chemie und Physik zur Gewifsheit zu gelangen.
Aber die Erklärungen jener Erscheinungen sind doch
nur auf die Weise möglich, dafs wir uns von dem
Bedingten zu einem immer weniger Bedingten erheben,
von gewissen allgemeinen Erscheinungen die
einzelnen abzuleiten suchen, die Resultate, die wir
auf beiden Wegen fanden, mit einander vergleichen,
und dann erst der Wahrheit uns genähert zu haben
glauben, wenn bei dieser Vergleichung sich Ueber-
einstimmung ergiebt. Keiner von beiden Wegen allein
führt zur Gewifsheit. Man hat Tausende von Thieren
gemartert, um die Geheimnisse des Lebens zu entdecken.
Andere glaubten, in ihrem Ich Alles gefunden zu haben,
was zur Construction der ganzen Natur erforderlich ist.
Wenn diese viel Sinnloses behaupteten, so gaben die
blofsen Experimentatoren wahrlich auch nicht immer
viel Sinnreiches. Uebrigens gelangt freilich auch auf
der wahren Bahn Keiner zum Ziele ohne einen Genius.
So als wahre Wissenschaft bearbeitet, nicht als
blofser Inbegriff unzusammenhängender Wahrnehmungen
vorgetragen, ist die Biologie die Grundlage der
Arzneikunde, der Landwirthschaft und des Gartenbaus.
Der gewöhnliche Arzt, Oeconom und Gärtner kennet
sie Zwar nicht und wird ohne sie beliebt und reich.
Aber immer bleibt es wahr, dafs wenn der grofse
* Haufen der Aerzte, Landwirthe und Gärtner etwas
Besseres ist, als er zu den Zeiten war, wo man nach
den Signaturen der Dinge Arzneien verordnete, nach
den Aspecten der Planeten säete und pflanzte, durch
die Entdeckung biologischer Wahrheiten Licht in die
Finsternifs gebracht ist.
Gehen wir jetzt zur Betrachtung unsers Gegenstandes
selber über, so liegt uns zuerst die Beantwortung
der Frage ob: Was eigentlich Leben ist?
Wer dieses Wort ausspricht, nennet etwas Geheim-
nifsvolles. Die Region des Lebens gränzt an die
übersinnliche Welt. Es ist besser, seinen Garten bestellen,
als in diesem Gebiet festen Boden suchen.
Doch zu demselben führen Wege aus der Welt der
Erfahrung. Es ist verdienstlich zu erforschen, wie
weit sich auf diesen Wegen Vordringen läfst.