Das Thier im Freien wird vom Instinct geleitet, in
einer Sphäre zu leben, worin es jenen Einflüssen am
wenigsten ausgesetzt ist. Den Gewächsen wird das
Vermögen, eine solche Sphäre aufzusuchen, durch ihre
starke Zeugungskraft und durch die Einrichtungen
ersetzt, welche die Natur getroffen hat, um die Verbreitung
des Pflanzensaamens zu befördern und zu
machen, dafs immer ein grofser Theil desselben in
die ihm angemessene Sphäre gelange. Gegen die Beschränkungen,
denen das Leben in jeder Sphäre vom
Zufalle ausgesetzt ist, behaupten sich alle lebende
Wesen durch Wirken ihrer Selbstthätigkeit als Hei l kraft
der Natur, und besonders in Rücksicht auf
die Integrität der Organisation als Wie der er zeugungsve
rmögen verletzter oder verlohrner Theile.
Das letztere zeigt sich deutlich als eine Form der
ursprünglichen Zeugungskraft. Dasselbe ist bei den
Pflanzen, Zoophyten und Würmern ganz einerlei mit
dem Vermögen der Vermehrung durch Sprossen und
durch Theilung. Bei den höhern der wirbellosen Thiere,
den Fischen und Amphibien ist keine Vervielfältigung
des einzelnen Wesens dadurch möglich; wohl aber
werden ihnen ganze verlohrne Gliedmaafsen und selbst
Sinnesorgane durch dieses Vermögen ersetzt, obgleich
vielleicht nie ganz in der vorigen Vollkommenheit.*)
Den Vögeln und Säugthieren kann dasselbe nur nervenlose
Theile wiedererzeugen und die aufgehobene
*) Der regenerirte Schwanz der Eidechsen enthält statt der gegliederten
Wirbelsäule nur eine, aus einem einzigen Stück bestehende,
knorpelige Röhre. Du g e s in den Annalei des sc. natur. T. XVI. p. 367.
organische Verbindung von Theilen, die mit Nerven
begabt sind, wiederherstellen. *) Die Stufenleiter dieses
Vermögens in den organischen Reichen ist also einerlei
mit der der Tenacität des Lebens, und dasselbe steht
daher wie diese mit der Abhängigkeit des Rhythmus
der Bewegungen des Herzens und der Respirationsorgane
von äussern Einwirkungen zunächst in Beziehung.
Die Regeneration einzelner Gliedmaafsen fängt übrigens
bei den Amphibien auf ähnliche Art, wie die Bildung
des organischen Ganzen, mit einem Anschiessen fester
Theile in einer homogenen Flüssigkeit an. Das Ende
des Stumpfs eines abgeschnittenen Gliedes des Wassersalamanders
wird mit einem Netz von Gefäfsen bedeckt,
woraus eine klebrige Feuchtigkeit hervordringt, die
sich mit einem Häutchen überzieht und eine conische
Form annimmt. In dieser Materie erzeugen sich neue
organische Elemente, die sich mit denen des Stumpfs
vereinigen. Der Kegel verlängert sich immer mehr,
indem sich unter dem Häutchen immer neue Materie
ansammelt. Es äussert sich hierbei das gleichförmige
Wirken des Lebenden bei veränderten äussern Verhältnissen.
Das Glied kann auf sehr verschiedene Weise
abgeschnitten seyn: der verlohrne Theil wird doch
immer in gleicher Gestalt wieder hergestellt. Ist z. B.
der Schnitt in ganz schiefer Richtung gemacht, so
bildet die. hervordringende Lymphe eben sowohl einen
*) Biol. B. 3. S. 448 fg. Dafs jedoch auch bei deu Säugthieren
nicht blos Reunion durchschnittener Nerven, sondern auch Regeneration
ausgeschnittener Nervenstücke statt finden kann, beweisen neuere Versuche
Tied em an n ’s, deren 'Näheres dieser in der Zeitschrift für
Physiologie bekannt machen wird.