Flüchte tragen, so liegt der Grund davon nicht sowohl
in Ueberflufs an Nahrung überhaupt, als in einem
unangemessenen Verhältnifs der Nahrung gegen die
übrigen Einflüsse, die der Pflanze zu ihrer natürlichen
Vegetation nothwendig sind.
Jede Veränderung der äussern Bedingungen des
Wachsthums zieht Abänderungen der Bildung nach sich,
die bei einigen Thieren und Pflanzen früh, bei andern
später eintreten, desto dauernder werden, je länger
jene Veränderungen fortdauern, und, wenn sie herrschend
geworden sind, auch nach der Aufhebung ihrer
ersten Ursache bleiben, oder, falls diese periodisch
wirkte, periodisch wiederkehren. Auf diesem Gesetz
beruhet die De g ene r a t i on der lebenden Wesen.
Es giebt Gränzen derselben. Wir können diese aber
nicht angeben, nicht ohne willkührliche Voraussetzungen
sagen, was Art und was Abart ist. Unsere
Erfahrungen hierüber sind sehr beschränkt und zum
Theil sich, dem Anscheine nach, sehr widersprechend.
Ein und derselbe Boden bringt oft neben einander
sehr verschiedene Spielarten von Gewächsen hervor,
und nicht etwa blofs in Gärten, sondern auch in
Wildnissen.*) Hingegen entstehen einerlei Ausartungen
bei sehr verschiedenen äussern Einflüssen sowohl im
Thier- als im Pflanzenreiche. Viele Thatsachen beweisen
z. B. dafs die Thiere desto stärkeres Haar
und desto hellere Farben bekommen, je weiter ihr
Aufenthalt nach den Polen hin ist, je weniger Wärme
*) Ein Beispiel führt P a lla s (Reise durch verschiedene Provinzen
des Russischen Reichs. Th. 3. S. 247) von Phlox sibirica an.
und Licht also auf sie wirken.*) S. G. Gmelin führte
dagegen Erfahrungen an, woraus er schlofs, dafs eben
diese Wirkungen auch von verminderter Ernährung
entstehen.**) Pallas***) berief sich wieder auf andere
Beobachtungen, die ihm zu beweisen schienen, dafs
stärkeres und weisseres Haar nicht verminderte, sondern
vermehrte Ernährung zur Ursache hätte. Wenn
man die Gründe für diese entgegengesetzten Meinungen
vergleicht, so läfst sich nichts Anderes annehmen, als
dafs weder vermehrte noch verminderte, wohl aber
der Qualität nach veränderte Ernährung einen ähnlichen
Einflufs auf den Haarwuchs und auf die Farben
des Haars wie Licht und Wärme hat. Dies folgt auch
aus Günther’s Versuchen, nach welchen mehrere
Arten von Vögeln schwartze Federn bekommen, wenn
sie mit Hanf gefüttert werden, j-) Da aber nach Pal las
der veränderliche Hase und mehrere andere Thiere auch
in der Gefangenschaft, wo sie immer einerlei Nahrung
und einerlei Wärme haben, Winter- und Sommerhaar
erhalten, so ist weiter vorauszusetzen, dafs das periodische
Wechseln der Haare auch ohne äussere
Ursachen, blos als eine habituell gewordene Veränderung
erfolgt.
Wenn in diesen und ähnlichen Fällen, wo die
Ursachen der Degeneration erst nach der Geburt einwirken,
dieselben schon schwer zu entdecken sind,
*) Biol. B. 2. S. 168. 488.
**) Ebendas. S. 491.
***) Nov. spec. quadrup. e glirium ordine, Ed. 2. p. 8,
t ) Dev Naturforscher. Th. 1. S. 1. Th. 9. S. 22.