
 
		Ein  Character  alles  Lebendigen  ist  Zweckmässigkeit. 
   Wer  da  sagt,  diese  werde  von  uns  in  die  
 Natur  übertragen,  der  antworte,  wie  sie  von  uns  
 übertragen  werden  könnte,  wenn  das  Leben  nicht  
 etwas  hätte,  was  uns  zu  der  Uebertragung  nöthigte;  
 der  erkläre,  worin  dieses  Etwas  besteht.  Ein  zweiter  
 Character  ist  Zweckmäfsigkeit  für  sich  selber.  Wir  
 sehen  nur  da  Leben,  wo  wir  eine Kette  von Ursachen  
 und. Wirkungen  in  einer  gewissen  Form  des  Daseins  
 wahrnehmen,  die  sich  auf  sich  selber  bezieht.  Diese  
 Kette kann noch einen höhern Zweck aufser sich haben.  
 Aber  der  erste  ist  immer  ihre  eigene  Erhaltung  und  
 Ausbildung.  Hierin  unterscheidet  sich die mechanische  
 Thätigkeit  von  der  org an isch en .  Der Mechanismus*  
 zerstört  sich  selber,  indem  er  für  den  Zweck,  für  den  
 er  bestimmt  ist,  arbeitet;  hingegen  der  Organismus  
 hat  sein  Bestehen  durch die  ihm  eigene Wirksamkeit. 
 Jedes  lebende Wesen  aber  ist  ein Bedingtes  wie  
 jedes  andere  Einzelne,  und  die  Bedingungen  der  
 Thätigkeit  desselben  sind  nicht  unveränderlich  wie  
 die  einer  Maschine,  deren  Wirkungen  nur  solange  
 einem  gewissen  Zweck  entsprechen,  als  die  Einwirkungen, 
   wodurch  sie  in  Bewegung  gesetzt  wird,  unverändert  
 bleiben.  Die  Saamen  der  Pflanzen  w'erden  
 vom Winde  umhergestreuet,  von Thieren  hierhin  und  
 dorthin  getragen.  Keiner  derselben  entwickelt  sich  
 ganz  unter  den  nehmlichen  Verhältnissen,  worunter  
 die  Mutterpflanze  aufwuchs.  Und  doch  vegetirt  das  
 eine  Gewächs  wie  das  andere,  und  der  Character  der  
 Art  erhält  sich  von  Generation  zu  Generation  auch 
 bei  sehr  wechselnden  äussern  Einflüssen.  Dies  wäre  
 nicht möglich,  wenn  nicht  das  Lebende  ein  Vermögen  
 besäfse,  seinen Zustand nach den äussern Bedingungen,  
 oder  die  äussern  Bedingungen  nach  seinem  Zustande  
 einzurichten,  wenn  dasselbe  nicht  selbsthätig  wirkte.  
 Dieser Selbstthätigkeit  liegt  wirkliche  oder  scheinbare  
 S pon tan eität  zum  Grunde,  und  die  letztere  ist  
 einerlei  mit  dem  Instinct  im  weitesten  Sinne,  den  
 man  verkennet,  wenn  man  ihn  nur  da  annimmt,  wo  
 er  sich  in  gewissen  auffallenden  Handlungen  der  
 Thiere  äussert.  Wir  bewundern  den  Instinct der Biene.  
 Aber  wo  ist  die  Gränze  zwischen  den  Aeusserungen  
 des Kunsttriebs  dieser  Thiere  und  den Regungen  des  
 Lebens  auf  dessen  niedrigsten  Stufen? 
 Die  Aeusserungen  dieses  Princips  können  nicht  
 Producte  einer  Vernunft  seyn,  die  blos  durch  Eindrücke  
 der  Sinnenwelt  geleitet  w7ird:  denn  sie  w'erden  
 nicht  alle  veranlafst  durch  Eindrücke  der Vergangenheit  
 und  Gegenwart;  sie  beziehen  sich  zum  Theil  
 auf  ein Künftiges,  wovon  die  Sinne  noch  nie  gerührt  
 wurden;  sie  werden  ursprünglich  nicht  versuchsweise,  
 sondern  gleich  im Anfänge mit  der nehmlichen Sicherheit  
 wie  in  der  Folge  hervorgebracht;  sie  hören  zum  
 Theil  mit  der  Entwickelung  des  Bew'ufstseyns  der  
 Existenz in der Sinnenwelt auf.  Wie aber ist zweckmässiges  
 Wirken  ohne  Bewufstseyn möglich?  Dies  ist das  
 grofseRäthsel, worauf wir bei jedem Schritt in der Naturlehre  
 der  lebenden  Wesen  stofsen.  Wir  bedürfen  der  
 Lösung  desselben  selbst  zur Erklärung  der  einfachsten  
 willkührlichen Bewegungen. Bei jeder Muskelthätigkeit,