für das Lebende ein anderes Gesetz der Einwirkung
und Gegenwirkung als für das Leblose gelten, und
wenn der Zweck der Thätigkeit des Lebenden Erhaltung
der Form seiner Existenz ist, so kann für
dasselbe dieses Gesetz nur seyn, dafs Einwirkung und
Gegenwirkung im umgekehrten Verhältnifs gegen einander
steigen und fallen. Hierdurch geschieht es, dafs
in den Erscheinungen des Lebens relative Gleichförmigkeit
bleibt, obgleich die Einwirkungen, wodurch
sie erregt werden, ungleichförmig sind, dafs z. B.
bei den hohem Thieren der Herzschlag und die Bewegungen
des Athemhohlens in der Wärme und Kälte,
in einer reinen und weniger reinen Luft, bei reichlicher
und sparsamer Kost einen festen Typus behaupten,
die eigene Wärme sich nicht verändert, die
willkiihrlichen Bewegungen mit gleicher Leichtigkeit
vollzogen werden. Diese Gleichförmigkeit ist aber
freilich immer nur relativ. Sie kann nicht absolut
seyn, weil alles Leben seine Schranken hat.
Es läfst sich daher als ein Merkmal des Lebens
angeben: Streben nach Gleichförmigkeit der Gegenwirkungen
bei ungleichförmigen Einwirkungen,
w elche die äussern Bedingungen der Reactionen sind.
Dieser Character des Lebens wurde von mir im ersten
Bande der Biologie aufgestellt. Es sind dagegen
Einwendungen gemacht worden, bei denen ich tieferes
Eindringen in den Gegenstand sehr vermisse. Sie
gehen darauf hinaus, dafs, wenn ein Kieselstein und
ein Ei im Mörser gestampft werden, der todte Stein
doch gleichförmiger als das lebende Ei gegen die
Stöfse rengirt. Aber sind denn Stöfse Bedingungen
des Lebens im Ei? Es giebt freilich kein unbeschränktes
Leben. Ein solches würde unzerstöhrbar und Alles
zerstöhrend seyn, und mit demselben wäre alle Man-
nichfaltigkeit in der Natur aufgehoben. Die Gleichförmigkeit
kann nur in Beziehung auf die Einwirkungen,
die Bedingungen der Reactionen sind, und auch gegen
diese nur innerhalb gewisser Gränzen statt finden.
Wenn eine Kugel, von einer ungleichförmig wirkenden,
mechanischen Kraft in Bewegung gesetzt, doch mit
immer gleicher Geschwindigkeit fortrollte: wer würde
derselben Leben absprechen dürfen, vorausgesetzt, dafs
das Gleichbleiben der Geschwindigkeit nicht durch
eine andere mechanische Kraft verursacht würde, die
der vorigen von aussen entgegenwirkte? Wer aber
würde erwarten können, dafs die Gleichförmigkeit
der Bewegung bei jeder noch so heftigen, oder noch
so schwachen Einwirkung fortdauern und die Kugel
den Gesetzen der Mechanik ganz entzogen seyn könne?
Bewegte sich diese ungleichförmig bei gleichförmiger
äusserer Einwirkung, so würde Jeder voraussetzen,
dafs sie noch von einer andern als der mechanischen
Kraft getrieben würde, und nicht weiter ihr Leben
zuschreiben, wenn er nicht fände, dafs die Ungleichförmigkeit
nur ein Uebergang zu einer, der Kugel
eigenthümlichen Bewegung bei dem Kampf mit beiden
Kräften sey.
Eine innere Bedingung gewisser Formen, worunter
sich das Leben äussert, ist eine eigene Bildung
der Materie des Lebenden. Nennen wir diese organisch,
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