Die allgemeinsten der vegetabilischen Bewegungen,
die freiwillig zu seyn scheinen, sind das Hinziehen
der Zweige und der obern Seite der Blätter nach dem
Lichte und nach feuchter Wärme, und das Winden
der Schlingpflanzen um eine Stütze. Besonders in der
letztem Erscheinung äussert sich etwas Aehnliches
den Bewegungen der Thiere. Die Schlingpflanze beschreibt
zwar, sich selber überlassen, bei ihrem Wachsthum
mit den Spitzen der Zweige Kreise, und erreicht
vermöge dieser Art des Wachsthums einen Gegenstand,
der in ihrer Nähe ist. Allein es ist doch keine, blos
mechanisch wirkende Ursache, was sie veranlafst, ihr
Wachsthum der Gestalt des Gegenstandes, zu welchem
sie gelangt, anzupassen. Die Cuscuta windet sich nicht
um Stützen jeder Art, nicht um thierische Theile^
todte vegetabilische Körper, Metalle und andere unorganische
Materien, sondern nur um lebende Pflanzen,
und auch nicht um Gewächse jeder Art, z. B. nicht
um Moose, sondern nur um solche, woraus sie durch
ihre Papillen die ihr angemessene Nahrung ziehen
kann, und von diesen wird sie schon in einiger Entfernung
angezogen. *)
Durch ein verändertes partielles Wachsthum
werden auch mehrere Bewegungen beim Zeugungsgeschäft
der Pflanzen, vorzüglich die verschiedene,
gegenseitige Stellung der Blüthentheile vor, während
und nach der Befruchtung, bewirkt. Diese sind indefs
ganz automatischer Art: denn sie gehen immer nur
') L. H. Palm über das Winden der Pflanzen. S. 48.
auf einerlei Art vor sich, und sind Folgen des er-
höheten Lebens der Befruchtungstheile, ohne, wie
Medicus *) glaubte, der sie unpassend Wanderungen
der Blüthentheile nannte, auf das Befruchtungsgeschäft
immer eine unmittelbare Beziehung zu haben.**)
Sie bestehen zum Theil in einem Hinbiegen der Staubfäden
zu den Griffeln und einer Rückkehr in ihre
vorige Stellung. In gewissem Grade findet eine solche
Veränderung der Lage wohl bei allen Blumen statt.
Doch ist es allerdings wahr, was Medicus sagte,
dafs es von dieser Art der Bewegung einen Ueber-
gang zu einer zweiten giebt, wobei die Staubfäden
sich in einer gewissen Ordnung der Narbe nähern
und nach einander wieder von dieser entfernen. So
neigen sich bei Parnassia palustris und Ruta graveo-
lens die Staubfäden einer nach dem andern, bei Saxifraga
tridactylites paarweise zum Stigma, und richten
sich in gleicher Ordnung wieder auf. Eben dieses
Neigen der Staubfäden tritt aber bei mehrern Pflanzen,
z. B. bei Berberis vulgaris, Cactus Opuntia und Tuna,
Helianthemum vulgare, apenninum und ledifolium,
Stylidium Sw. nach mechanischer Reizung der Staubfäden
ein.***)
Ein ähnlicher Uebergang von Bewegungen, die
sich ganz wie ein verändertes Wachsthum verhalten,
zu solchen, die sehr mit den thierischen Bewegungen
Übereinkommen, findet an den Blättern und Blatt*)
Pflanzenphysiol. Äbhandl. B. 1. S. 4. 126.
**) L. C. Trev i ran us in den Verm. Schriften. B. 4. S. 139.
***) Biol. B. 5. S. 204 fg. L. C. Tr ev i r an u s a. a. O. S. 140.