Solche Producte der Phantasie entstehen in uns zufällig
und haben für uns keine Bedeutung. Hingegen
im Thier werden sie" nach festen Gesetzen erzeugt,
und ihre Lebhaftigkeit ist so grofs, dafs der Wille
ganz unter ihrem Einflufs steht und das Leben in
der Sinnenwelt ganz auf sie bezogen wird. In diesen
Erzeugnissen der productiven Einbildungskraft und
denselben »entsprechenden, angebohrnen Regeln der
Handlungsweise haben die Kunsttriebe der Thiere
ihren Grund. Die Biene würde nicht arbeiten f wenn
nicht vor dem Beginn ihrer Arbeit eine Vorstellung
von dem Resultat derselben ihr schon gegenwärtig
wäre, die nicht aus der Erfahrung genommen seyn
kann, da sie arbeitet, ehe sie noch ein Thier ihrer
Art arbeiten sähe.
Man hat gefragt: ob das Weitzenkorn, das zu
Wurzel, Halm, Blatt, Aehre u. s. w. den Keim in
seinem Wesen hat j von Wurzel, Halm u. s. w. träumen
und sich dessen, was in ihm ist und aus ihm werden
wird, bewufst seyn könne? Die Antwort ergiebt sich
aus dem Obigen. Das Weitzenkorn hat allerdings
Bewufstseyn dessen, was in ihm ist und aus ihm
werden kann, und träumet wirklich daton. Sein Bewufstseyn
und seine Träume mögen dunkel genug seyn.
Ohne ein solches Bewufstseyn und ohne solche Träume
giebt es aber kein Leben. Frägt man : ob man diese
denn auch in jedem Punct und jeder Faser, die sich
in einem Aufgufs hin und her bewegen, annehmen
dürfe? sp erwidern wir, dafs nicht Alles, was sich
bewegt, ohne dem Anscheine nach von aussen zur.
Bewegung getrieben zu seyn, wirklich lebend, so wie
nicht alles scheinbar Ruhende wirklich tod ist. Nicht
Alles, was man Aufgufsthiere nennet, besitzt Leben.
Aber in dem befruchteten, noch nicht bebrüteten Ei
gehen immerfort Lebensbewegungen vor sich, solange
noch die Fähigkeit zur Entwickelung darin vorhanden
ist.
Diese Erläuterungen werden hinreichend seyn, die
Annahme, dafs leben und beseelt seyn, einerlei sind,
zu rechtfertigen. Es liegt uns jetzt ob, die einzelnen
Erscheinungen des Lebens zu untersuchen, durch Vergleichung
ihres Gemeinschaftlichen und Verschiedenen
die Gesetze derselben zu entdecken, und durch
Wiederhohlung dieser Vergleichung an den niedern
Gesetzen uns zu immer höhern Gesichtspuncten zu
erheben. Ehe wir hierzu übergehen, werden aber noch
einige allgemeine Phänomene zu betrachten seyn.
Alles Materielle besitzt das Vermögen, von äus-
sern Einwirkungen verändert zu werden und diese
wechselseitig wieder zu verändern. Bei dem Leblosen
steigen und fallen Einwirkung und Gegenwirkung in
immer gleichem Verhältnifs. Sind fortdauernd einerlei
Körper mit einander in Wechselwirkung, so w'ird der
eine in demselben Maafs verändert, wie er den andern
verändert; Action und Reaction kommen endlich ins
Gleichgewicht und der Erfolg ist Ruhe. Wenn es
wahr ist, was im Vorhergehenden bemerkt wurde,
dafs das Lebende selbstthätig wirkt, indem dasselbe
die äussern Bedingungen seines Zustandes sich anpafst,
oder sich nach diesen Bedingungen einrichtet, so mufs
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