Die Mifsgeburten überhaupt weichen von der ge-
setzmäfsigen Form in der Zahl, dem gegenseitigen
Gröfsenyerhältnifs, der gegenseitigen Lage und der
Gestalt der Organe ab. Die Zahl kann gröfser oder
kleiner als die normale seyn. Vergröfserung ist häufiger
als Verkleinerung derselben. Die Mifsgeburten
mit überzähligen äussern Organen bilden eine Stufenfolge,
die von solchen anfangt, wobei nur die Zahl
der äussersten Glieder, z. B. der Finger, Zehen,
Klauen oder Hörner, um eines vermehrt ist, und sich
bis zu denen erhebt, die aus zwei vollständigen, nur
an einer einzigen Stelle mit einander verwachsenen
Individuen bestehen. Die mangelhaften Körper unter
den Mifsgeburten lassen sich ebenfalls in einer Reihe
ordnen, die sich von einem einzelnen Glied eines
Ganzen zu einem Ganzen ohne ein einzelnes Glied
erstreckt. Diese Gradationen finden aber nur in den
äussern Organen statt. Die Zahl der innern Theile
ist selten vermehrt, häufig vermindert und selbst in
der Regel vereinfacht bei der Verdoppelung des ganzen
Körpers, wo man dem Aeussern nach auch im Innern
Alles doppelt zu finden erwarten sollte. Hingegen
Veränderungen der gegenseitigen Lage kommen in
weit gröfserm Maafs an den innern,als an den äussern
Theilen vor. Es giebt kein Beispiel von einer Mifs-
geburt, woran die obern und untern Gliedmaafsen
ihre Stellen verwechselt hatten, wohl aber mehrere
von Früchten, in welchen die Eingeweide der rechten
Seite auf der linken und die der linken zur Rechten
lagen, und andere, wo sich Eingeweide der Brust
im Unterleibe, und Baucheingeweide in der Brust befanden.
*) Gestaltsveränderungen der Organe gehen
nie über den Typus der Art hinaus, wenn sie nicht
durch Bastarderzeugung hervorgebracht sind. Man
glaubte zwar oft in menschlichen Mifsgeburten thie-
rische Formen zu sehen. Aber die Aehnlichkeit war
immer erzwungen, oder zufällige Wirkung eines krankhaften
Zustandes.
In jeder dieser verschiedenen Classen von Mifs-
bildungen ist ein selbstständiges Leben der Mifsgeburt,
aber auch das Gegentheil möglich. Diese gehört zu
den selbstständigen, solange nicht die Deformität von
der Art ist, dafs dadurch die Ausübung einer der
Functionen, ohne welche das eigene Leben nicht
bestehen kann, aufgehoben wird, wie z. B, unter
den Mifsgeburten mit überzähligen äussern Organen
bei einem von Hofmann beschriebenen, weiblichen
Menschenfetus der Fall war, aus dessen Munde ein
fremder Kopf hervorragte. **)
Keine Mifsgeburt hat im Aeussern Zweckmässigkeit.
Jede gesunde und besonders jede selbstständige Mifsgeburt
aber ist im Innern so zweckmäfsig organisirt,
wie es der Grad der äussern Mifsbildung immer zu-
läfst; es zeugt ihr innerer Bau immer von einem
*) Belege zu diesen Sätzen finden sich in jedem Handbuch der pathologischen
Anatomie.
**) Miscell. Acad. Natur. Cur. Dec. 2. Ann. 0. Obs. 1G5. Einen verwandten
Fall, wo eine grofse rundliche, Geschwulst aus dem Munde
eines Fetus hervorliing, die indefs ein blofser Polyp war, beobachtete
Otto. (Seltene Beobachtungen zur Anat. Physiol, und Pathol, gehörig.
2te Sam ml. S. 1G2.)