welcher der Optik ganz kundig ist, nicht das Hören
ohne die tiefste Kenntnifs der Akustik. Die Erklärung
der Vorgänge beim Athemhohlen, der Verdauung, der
Ernährung und der Entwickelung der thierischen Wärme
beruhet ganz auf chemischen Gründen. Die Lehre von
der geographischen Verbreitung der Thiere und Pflanzen
steht mit der physischen Geographie und der Meteorologie,
so wie die Geschichte der Veränderungen,
welche die lebende Natur in der Vorzeit erlitten hat,
mit der Mineralogie und der Alterthumskunde in der
genauesten Verbindung. Und wer alle diese und noch
viele andere Hülfskenntnisse besitzt, wird doch nimmer
in der Lebenslehre weit Vordringen, wenn er nicht
auch Philosoph ist.
In allem Lebenden ist eine Bildung und ein Wirken
jedes einzelnen Theils für alle übrige und des Ganzen
nicht nur für alle Theile, sondern auch für einen
gewissen, sich zunächst auf die Art desselben und
dann auch auf andere Arten beziehenden Zweck unverkennbar.
Diese Zweckmäfsigkeit besitzt nur das Lebende.
Sie verräth sich noch an dessen kleinsten, nur
durch das Vergröfsernngsglas wahrnehmbaren Theilen.
In allen äufsern Bewegungen der Thiere, und selbst
in manchen der Pflanzen, ist zugleich ein Schein von
willkührlicher, und doch wieder auf der andern Seite
von nothwendiger Bestimmung zum Wirken. Wir finden
diese Verbindung von Freiheit und Nothwendigkeit
vorzüglich an den Aeufserungen der Kunsttriebe der
Jfhiere. Alles Beobachten jener Zweckmäfsigkeit und
dieser scheinbaren Spontaneität in ihren, so unendlich
verschiedenen Abänderungen, und alles Nachdenken
darüber führt endlich zu einem Urgrund, der sich
nur ahnen läfst, nicht mehr Gegenstand der Specu-
lation ist. Daher waren alle, die den Erscheinungen
des Lebens mit reinem Herzen nachforschten, Menschen
von tiefem religiösem Gefühl. Ich erinnere uur
an Swammerdamm, Bonnet und Linne- Ihre
Frömmigkeit trug freilich das Kleid ihrer Erziehung
und ihres Zeitalters. Aber wrenn auch Swammerdamm
faselnd erscheint bei den theologischen Anwendungen,
die er von seinen grofsen zootomischen
Entdeckungen machte, und bedauernswürdig als er zu
den Füfsen der B ou r ign on ein düsterer Schwärmer
wurde; wenn auch Bonnet und viele andere Naturforscher
des vorigen Jahrhunderts ihre eigene Weisheit
für die des Sehöpfei’s priesen, so suchten sie doch,
obwohl auf Abwegen, das höhere Licht, dessen Abglanz
sie erblickt hatten. Wer dieses Licht in der
Natur verkennet, sieht trostlos in ihr nur einen ewigen
Kreislauf von Entstehen und Vergehen. Wer träumend
oder dichtend Worte sucht, die dem Licht entsprechen
sollen, und damit an die Erklärung der Erscheinungen
des Lebens geht, findet nicht die Wahrheit, sondern
allenthalben nur seine Himgespinnste. Wer aber den
ächten Weg beim Studium der lebenden Natur einschlägt,
dem wird die Muse desselben eine Gefährtin,
die ihm treu bleibt, wenn ihn Alles verläfst, ihm,
wie Leucothea dem Schiffbrüchigen, einen heiligen
Schleier reicht, wenn die Wellen des Schicksals ihn
zu verschlingen drohen.