fehlten und bei welchem doch alle Nerven vorhanden
waren.*) Aber Morgagni,**) der eine ähnliche Beobachtung
machte, doch dabei umsichtiger als Sue
verfuhr, fand deutliche Zeichen von vorhanden gewesenem,
nur durch Kopf- und Rückgrathwassersucht
aufgelösetem Hirn und Rückenmark.
Einzelne organische Theile können ohne den
Einflufs eigener Nerven, durch die blofse Einwirkung
des mütterlichen Nervensystems, nach dem Model
der Art, zu welcher der mütterliche Körper gehört,
dem Aeussern nach gebildet werden. Diese sind aber
nie zu einem Ganzen verbunden und im Innern stets
unvollkommen organisirt. Die niedrigsten solcher Pro-
ducte sind die Haarbüschel, Zähne und Knochen,
wovon oben, S. 110, die Rede war. Es ist möglich,
dafs noch mehr zusammengesetzte organische Gebilde
ohne unmittelbaren Nerveneinflufs entstehen können.
Wie weit diese Erzeugung aber gehen kann, läfst
sich aus dem, was bisher darüber beobachtet ist,
nicht mit Gewifsheit abnehmen. Henkel***) untersuchte
eine Frucht, die äusserlich die menschliche
Gestalt hatte, nur dafs die obern Gliedmaafsen höchst
unvollkommen gebildet waren, deren Brust- und Bauchhöhle
aber nichts als blofses Zellgewebe enthielt.
Ob hier die äussere Form der Brust und des Bauchs
ursprünglich ohne Nerven entstand, läfst sich aus
Henke l ’s Beschreibung nicht abnehmen. Clarke
*) Sue a. a. O. S. 7.
**) Epist. anatom. XX. §. 56. 57.
***) Neue medic. und Chirurg. Anmerkungen. B. I,
aber, der eine Mifsgeburt zergliederte, welche in einer
länglichrunden, zusammengedrückten, auf der einen
Seite oben und unten, unweit dem Rande, mit zwei
Rudimenten eines Fufses, auf der nehmlichen Seite
neben der Mitte mit einer Art von Nabel und neben
diesem mit einer fingerähnlichen Hervorragung versehenen,
inwendig einige Knochen, eine fleischige,
aber ungefaserte, mit Zweigen der Nabelschnurgefäfse
durchzogene Substanz enthaltenden Masse bestand,
sagt von dieser bestimmt: es sey nach sorgfältiger
Untersuchung nichts Hirn- und Nervenähnliches darin
zu finden gewesen. *) Inzwischen stehen dieser Beobachtungen
doch auch wieder andere entgegen, wo
bei ähnlichen, ebenfalls höchst unvollkommen orga-
nisirten Massen doch Rudimente eines Nervensystems
gefunden wurden.**)
Aus Wins low’s Beschreibung einer Mifsgeburt,
der die ganze obere Hälfte des Körpers bis zum Nabel
fehlte, folgt endlich noch, dafs bei der Anwesenheit
von Nerven und Arterien doch Venen unentwickelt
bleiben können. Es gingen hier aus den vorhandenen
Lendenwirbeln und den Löchern des Heiligenbems
mehrere Nervenfäden hervor, und es war ein Arterienstamm
vorhanden, der aus einer kleinen, gleich übei
dem Nabel liegenden Hervorragung der äussern Haut
entsprang und dessen Zweige sich in den rheilen dei
Mifsgeburt verbreiteten. Hingegen war ausser einem
kleinen Stück der Nabelvene keine Spur von andern
+) Pliilos. Transact. Y. 1703. p. 154.
**) T icd em an n ». a. O. B. 3. S. 10.