schreitet. Bei einem Pferde, dem Tiedemann und
Gmelin Morgens um sieben Uhr eine Indigo-Auflösung
eingegossen hatten, zeigte sich um halb eilf
Uhr Vormittags die Schleimhaut der ersten Hälfte des
dünnen Darms vom Färbestoff des Indigo ganz durchdrungen.
Doch war dieser noch nicht weiter als bis
zu dem Schleimgewebe gelangt, welches die Schleimhaut
mit der Muskelhaut verbindet. *) So langsam
geschieht nicht der Uebergang eingesogener Stoffe
selbst in sehr entfernte Theile sowohl der Pflanzen
als der Thiere. Eine krautartige Pflanze, die wegen
Mangel an Feuchtigkeit des Bodens welk geworden ist,
richtet sich nach dem Begiessen ihrer Wurzeln in
allen ihren Theilen sehr bald wieder auf. Färberröthe
und Indigo, die von einem Menschen durch den Mund
aufgenommen waren, zeigten sich bei S teh b e rg e r ’s
Versuchen schon nach einer Viertelstunde im Urin.**)
Es mufs daher andere Theile als das Pflanzenzellgewebe
und das thierische Schleimgewebe geben,
wodurch das Eingesogene im Körper schnell verbreitet
wird. Diese können bei den Pflanzen nur die Inter-
cellulargänge oder die grofsen Gefäfse, bei den Thieren
die Venen oder die Saugadern seyn. Die Gänge zwischen
den Zellen der Pflanzen gehören mit zum vegetabilischen
Zellgewebe. Wenn durch dieses überhaupt die
schnellere Leitung des Eingesogenen nach entfernten
) T ie d em a n n ’s und G m e lin ’ s Versuche über die Wege, auf
welchen Substanzen aus dem Magen und Danncanal ins Blut gelangen.
S. 23. V. II.
**) Zeitschrift für Physiologie. B. 2. S. 59.
Theilen nicht geschehen kann, so sind jene für sich
ebenfalls dazu untauglich. Sie sind ohnehin nicht in
jedem vegetabilischen Zellgewebe zugegen. Nur die
grofsen Gefäfse bleiben als zu jener Leitung geeignet
übrig. Bei den Wirbelthieren giebt es Gefäfse, die
den Venen in ihrem Bau ähnlich sind, doch nicht
wie diese mit ihren äussersten Enden in Arterien übergehen,
sondern aus dem Schleimgewebe entspringen,
sich zu Zweigen und Stämmen sammeln und durch
ihre Stämme mit dem Venensystem vereinigen. Diese
sind die Saugadern, die man seit ihrer Entdeckung
allgemein als Gefäfse anerkannt hat, welche Flüssigkeiten
aus dem Schleimgewebe aufnehmen und zur
Blutmasse führen. Aber wenn hierüber kein Zweifel
ist, so ist es doch zweifelhaft, ob nicht die Venen
das Geschäft der Absorbtion mit ihnen theilen.
Ich habe mich im 4ten Bande der Biologie (S. 497.
§. 18.) über diesen Punct dahin erklärt, dafs den
Venen ebenfalls ein Einsaugungsvermögen zugeschrieben
werden müsse. Seit der Herausgabe jenes Bandes
sind indefs viele neue Erfahrungen hierüber gemacht
worden, die mich bewogen haben, meine frühere
Meinung zu ändern. Es giebt allerdings Beweise für
einen unmittelbaren Uebergang äusserer Stoffe in das
Blut der Venen. Allein entweder es waren diese Stoffe
blos einfache, besonders Salze, die auf die nehmliche
Weise wie das Sauerstoffgas der Atmosphäre von dem
Blute angezogen wurden; oder es war in den Venen,
die eine Einsaugung zu verrathen schienen, der Lauf
des Bluts gestöhrt. Ein solcher Uebergang geschieht