schenket verfolgen liefs. Es waren also hier mit den
willkiihrlichen Muskeln die Nerven, wodurch dieselben
in Bewegung gesetzt werden, unausgebildet geblieben,
während sich Blutgefäfse und Nerven dieser Gefafse
erzeugt hatten. Das Leben des vollständigen Fetus
konnte ohne das Leben des Parasiten nicht bestehen.
Aber der Parasit bedurfte keiner weitern innern Ausbildung
als der, die grade nöthig war, um ein Minimum
von Leben in ihm fortdauern zu machen. Es ist hier
und in allen ähnlichen Fällen einleuchtend, wie das
Lebende auch da zweckmässig wirkt, wo es seine
Wirkungen nach zufälligen Ereignissen einzurichten hat.
Eine zweite Folgerung, worauf die Betrachtung
des innern Baus vieler Mifsgeburten führt, betrifft
den Einflufs des Nervensystems auf die Richtung der
Thätigkeit des bildenden Princips. Da allenthalben im
Thierreiche, wo sich dieses System unterscheiden läfst,
der Form desselben die Form des Ganzen entspricht,
so läfst sich erwarten, dafs das nehmliche Gesetz
auch für die Mifsbildungen gelten wTerde. Und so
verhält es sich wirklich. In jeder mit Nerven versehenen
Mifsgeburt, wrorin diese Theile nicht nach
ihrer Bildung durch Krankheit zerstöhrt sind, weicht
der Ursprung und Verlauf derselben von dem gesetz-
mässigen Zustande auf eine Art ab, die mit der abweichenden
Bildung der Organe, worin sie sich verbreiten,
in einer Causalverbindung steht, und ihrem
veränderten Ursprung entspricht ein veränderter Bau
der zu ihnen gehörigen Centraltheile. Tiedemann
fand bei Früchten, denen die äussern Geruchswerkzeuge
fehlten* keine Riechnerven; bei andern, die keine
Augen hatten, keine Sehenerven; bei noch andern,
deren beide Augen zu einem einzigen vereinigt waren,
nur einen einfachen Sehenerven, und. überhaupt bei
jeder Mifsgeburt Mifsbildungen des Nervensystems,
die mit den Deformitäten der äussern Theile überein-
stimmten. *)
Ferner in jeder Mifsgeburt, die mit Nerven versehene
Theile hat, giebt es, oder gab es doch ursprünglich
ein Centralorgan dieser Nerven. Sue**)
zergliederte einen Fetus von drei Monaten, dem alle
Theile über dem Nabel und die untere Extremität
der rechten Seite fehlten, bei welchem aber alle innere
und äussere Theile der untern Hälfte des Bauchs und
der linken Extremität vollständig zugegen und wohl
gebildet waren. Der obere Theil des Rückenmarks
und das Gehirn fehlten hier. Allein in den Lenden-
und Heiligenbeinwirbeln war ein Rückenmark enthalten,
aus welchem eben so vollständige und eben
so vertheilte Nerven wie bei einer vollkommenen Frucht
entsprangen.***) Sue hat zwar auch einen Fall von
einem Fetus, dem das Gehirn und Rückenmark ganz
*) Zeitschr. f. ä. Physiol. B. X. S. 71 fg. B. 3. S. 1 fg.
**) Physiologische Untersuch, und Erfahrungen über die Vitalität.
Uebers. von H a rle fs. S. 9.
***) Die nehmlichen Beobachtungen wurden an Mifsgeburten gleicher
Art von W in slow (Mém. de l’Acad. des sc. de Paris. A. 1740. p. 811
der 8°. Ausg.) und G o u rra ig n e ' (Ebendas. A. 1741. p. 605) gemacht.
Bei einem von A n to in e (Ebendas. A. 1703. p. 35) beschriebenen
Schaaffetus ohne Kopf, Brust, vordere Extremitäten, Wirbelsäule und
Schwanz lag eine kleine, hirnartige Masse im Bauch, aus welcher die
Nerven entsprangen.
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