S IE B E N T E S BUCH.
Chemische Erscheinungen des
Lebens.
Das Athemhohlen, die Verdauung und Ernährung
von chemischer Seite.
Das physische Leben ist ein erzwungener Zustand.
Sobald dasselbe aufgehört hat, verbinden sich die
Elemente des Körpers, der vorher belebt war, nach
andern Gesetzen als im vorigen Zustande. Aus den
Resultaten chemischer Zerlegungen organischer Materien
läfst sich daher unmittelbar nichts in Betreff
des Antheils folgern, den diese Substanzen an den
Erscheinungen des Lebens haben, und es ist erklärbar,
wrarum die vielen bisherigen, zum Theil mit grofsem
Aufwande von Fleifs, Geschicklichkeit und Scharfsinn
gemachten, chemischen Analysen der vegetabilischen
und animalischen Materien doch verhältnifsmäfsig nur
wenig fruchtbar für die Biologie gewesen sind.
Alle organische Substanzen bestehen aus wenigstens
drei der Stoffe, wrelche im Wasser und in der atmosphärischen
Luft enthalten sind: aus Sauerstoff, Wasserstoff
und Kohlenstoff. In den meliresten, besonders
den thierischen Theilen, ist hiermit noch der dritte
Bestandtheil der Atmosphäre, der Stickstoff, verbunden.
Das Lebende kann eine gewisse Zeit fortdauern, indem
es diese Mittel zu seinem materiellen Wirken
blos aus Wasser und atmosphärischer Luft zieht.
Viele Erfahrungen beweisen, dafs manche Pflanzen
in blofsem destillirtem Wasser beim Zutritt der Atmosphäre
sich entwickeln und wachsen. ) Einige In-
secten und Würmer scheinen sich blos von Wasser
zu nähren. O. F. M ü lle r" 1") sagt: er habe Wasserspinnen,
Kiemenfüfsler, Wasserschnecken u. s. w. länger
als ein Jahr in blofsem Wasser erhalten, ja in mehr
als sechs Monaten das Wasser nicht erneuert, und
doch seyen sie nicht nur lebend gehlieben, sondern
haben auch das Wasser verschluckt und häufigen
Unrath von sich gegeben; man könne nicht sagen,
microscopische Thiere seyen ihre Speise gewesen, oft
habe er vergeblich nach solchen gesucht. Es ist w ahr,
Wasser, das der Luft ausgesetzt ist, wird bald verunreinigt,
und die Atmosphäre enthält immer noch
andere Stoffe als Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff.
Aber wenn in reinem Wasser eine ganze Pflanze aus
einem Saamenkorne aufwächst, so können die wenigen
fremdartigen Stoffe nur einen geringen Theil der Masse
des Gewächses ausmachen. Doch zur vollkommenen
Entwickelung und Lebendigkeit aller Thiere und Pflanzen
bedarf es allerdings noch anderer Stoffe als derer,
wroraus das reine Wiisser und die Atmosphäre bestehen. *)
*) Biologie. B. 4. S. 02.
**) Von "Würmern. S. 32.