
170 III. K.VRITEL. DIE KENXTNI.S VOM ATL.^NT. OCEAN A OR COLUMBUS.
A emiulcrimgen der Erdobcrllächc hei den Ionischen Geogrnphen bereits
eingenommen haben. Der Nachweis, dass einzehie Teile des Fcstlandes
die Spuren ehemalioer Seebedeckung zeigen, die Ivenutnis
der Alluvial-Lrschehuingeu und Delta-läildungen der Flüsse die yornehmheh
beim Nil zum Ausdruck kamen, der vermeintliche Klimawechsel
veivsehiedener Gegenden, sowie an anderen Stellen hinwiederum
das Yorschreitcn des Meeres mid das Versinken «.„nzer
Küstenstriche unter das Meeres-Niveau - haben schliesslich zu dem
Ergebnis gelührt, dass der jeweilige Zustand der Erdoberdäche nur
ein vorübergehender ist; dass da. wo jetzt Land ist. einst Meer war
und umgekehrt. Auf Grund dieses Beobaehtungs-Materials ko.mte
sich d.'mi auch die Aorstellung herau.sbildeu. dass das, was sich
hier IUI Ivlenien vollzog, auch in grossem Stil möglich wäre- dass
ganze Kontniental-biseln im Laufe der Zeit emportauelien und wieder
verschwinden kömiten.') Nur diese Vorstelluiigsweise kann auch in
Platou den Atlantis-3Iythus haben entstehen la.ssen; er ist nichts
Anderes als der in poetischer, idcalisirter Form Aciedergegebene
JNiederschlag wissenschaftlicher Ergebnisse.
III Die Entdeckung der Kanarien-, Madeira- und
Azoren-Gruppe.
r ^ e n s e i t s der Säulen des Herakles lag, der griechi.schen Sage
l^^^zutolge, eine andere Welt. Dorthin hatte die Phantasie,
Menschen, ja auch fern von den Göttern,'
Eiland verlegt, wohin ehizelne Günsthnge der Unsterblichen
entrückt wurden, ohne dass ihre Psyche vom Leibe sich tremite
und dem Erelios verfiel, wo sie in völliger Abgeschiedenheit von der
lärmenden Welt ein ewiges Leben genie.ssen. Die.ses Land idyllischen
(Jenügens liegt am Ende der Erde; es gehört nicht zum Reich des
Hades, .sondern ist noch ein Land anf der Oljcrfiäclie der Erde, zum
Aufenthalt bestimmt: nicht abgeschiedenen Seelen, sondern .Alensehen
deren Seelen sich von ihrem sichtbaren »Ich« nicht getrennt haben;
'•) Be rge r . Wi s s . En l l u l e . 1. 120—1-29; 11, .14, 1 2 2—1 2 5 .
DIE INSELN DER SELIGEN. 171
denn nur so köimen sie noch GetVdil und GCIULSS des Lebens haben.')
So weissagt der Kleergott Proteus dem herumiri'eiulen IMenelaos am
Strande Ägyptens:
Tsiclit ist dir es tjeseliiedeii, erhabener Fürst JMenelaos,
Im fossweiileiulen Argos deti Tod tmd das Scliicksal zu dulden ;
Nein, feriutb zur Elysischen Flur, zu den Grenzen der ]']rde.
Senden die Götter dielt einst, die unsterblichen; -wo Hliadainanlhys
AVolinet, der blonde, und leiclitestes Leben den >Ienschen besclieert ist.
Nie ist da Si;linee, nie AVinter und Sturm, iiodi strönieiider Regen.
Kwig weli'n die Gesäusel des leise atmenden Westes,
Welche der Ocean scliickt, dass er Kühlung bringe den IMenschen,^)
Die El y s i s c h e n Ge f ihl e, das »Land der Hingegangenen«'') hat
die dichtende Phantasie inannigfiich ausgeschmückt untl au.sgestaltet.
Sie erinneru stark an orientalische Sagen,") wie ja die ganze Vorstellung
eines solchen Fabel-Landes ewig ungetrübten Glückes schlecht
zu Homers An.schauungsweise passt, der tlie vornehni.steu Helden
seiner Lieder vielmehr im Hades schmachten lässt. ]\lan hat nicht
ohne Grund angenommen, (la.ss die obigen A^rse tler Zusatz eines
späteren Dichters sind. l'ber die geographische Lage und Beschallenheit
jtîiier Gelilde werden keine näheren Angahen gemacht. Sie liegen
am Ende der Welt, wohin den 3Ienschcn auch nicht der Zufall einmal
führt, vcrinutlich auf einer Insel;') denn so war der AA^ohnort der mit
dem ewigen Leben Beschenkteii am besten aller Nachforschung und
aller vordringenden Erfahrung entrückt, ein jedem Unberufenen
unzugänglicher Zulluchtsort.
Eine bestimmtere Gestaltung dieses Fabel-Landes finden wir erst
bei Hesiod. Der Heroen göttliches (Je.schlecht vernichtete der Krieg
um Theben und Troja. Teils wanderten sie zum Hades hinab, teils
hatte sie Zeus, der Kroiiide, an einen fernen Winkel der Erde entrückt
(ig -Ei'pxra yxir,g); «dort wohnen .sie sorgenfrei auf den Ins e ln de r
Seligen, am tiefströmendcn Okeanos, die beglückten Helden, denen
') Üb e r die \ 'or s t e l luu g dieses Wu n s e h l a n d e s « in d e r grieeliiseben S.-ige u n d Di c h t u n g
vgl. die lichtvolle Da r s t e l lung von Erwi n I l o h d e . P s y c h e , Se e l enc idt u n d Uns t e rbl i chke i t s -
ghud)e de r Gr i e c h e n , Fi-ciburg i. Ii. 1890, S. 6 3—1 0 3 .
Od. IV, 3 6 1 - 5 6 8 .
Die .\lteu leiteten das Wo r t i'ichtig ab. Etyni. Ma g n . 4 2 8 , 3 6 : r^i- £?.svtii ' ,
si'^n Ol svTsßslt: —cijciytrai'vtct.
Die babyloni s che .Sage \'ou I l a s i s adr a und die hebr ä i s che von I l enoch (Gene s . 5, 2 4 ;
.Sirach 49. 14; .Toseph. antiqq. I. 3. 4) , die in den I l innne l ode r an das En d e d e r S t r öme zu
den Göt t e rn e n t r ü c k t we r d e n , haben viel Verw-andtes, Rt>hde a, a. 0 . 72.
Rohde (S. 98) w-eist da r au f b i n , dass auch das La n d de r Phäidven bei Home r n i r g e n d s
deutlich als eine lusel bezei chne t wi r d . De n n o ch wi r d die Phant a s i e de r meisten Le s e r (im
.\nschhiss an Od. A-]. 201) sich Sche r i a als eine Insel vorstellen.