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2 f ) 0 IV. K.\PITKI.. D.\.S WELTBILD ZVR ZEIT DES COLUMBUS.
der älteren Koiiipeiidien- und Excerpten-Litteratur an sich und bot
dem Cohunbus den geeigTietsten Stoff zur Entl'altuiig seiner kosniograpliischen
Spekulationen dar. Das Weltbild des Karduials von AilU
liehandelt in gedrängter Kürze, in (lO Kapiteln, das W'issenwürdigste
von der Erde uud ihren Teilen,') und zwar nach der rein geophysischen
Seite hin. wie nicht minder mit besonderer Bezugnahme
auf die damalige Läuderkimde, deren neueste Ergebnisse der Verfasser
allerdings nur zum geringsten Teil berücksichtigt liat; statt dessen
bewegt er sieb lieber iu dem alteu Schlendrian mittelaltciiiclier Büchermacherei
fort. So behält er die Dreiteilung der Erde ganz nach dem
Schema der mittelalterlichen Weltkarte noch bei und stützt sich in
der Ausfidining der Einzelheiten auf idtere Kosinographen, vorzüglich
die spätrömischen Kompilatoren.
Dass diese Kosmographie für Columbiis die Ilauptquelle war,
welche er am gründlichsten durchstudirt hatte, giebt sich nicht allein
aus seiner vielfachen Bezugnahme auf dieses We rk zu erkemien: uns
ist sogar auch das Iland-Exemplar erhalten, in ivelchcs er mit eigener
Hand zahlreiche Rand-Noten eingetrageu hat.")
Nord-Frankreicli gemeint sein. Vgl. hi e rübe r P. T s c h a c k e r t , Pete r von.Ailli, Gotha 1877,
S. 3G7, Beilage 1. Den Grund zu seinen -wissenschaftlichen Studien legte er auf dein
Colleginm zu Na v a r r a , wo er imter den Scholaren allgemeines Aufsehen eri-egte. Er wu r d e
sehr bald zum Kanzler der Universität und zum Bischof von Cambray befüi-dert, als welcher
et- eine he rvor r agende kirchenpolitische Holle spielte. Er stai-b 1-120 zu .-Avignon.
') Das in einem schönen Inkunabe ldruek sine loco et anno {wahrscheinlich vom
J a h r 1490.^) ims vorliegende We r k führ t den Ti tel: Vmago mundi seu eius ymaginaria descriptio.
Den Zwe c k seines Buches giebt der \ ' e r f a s s e r im Anf ang selbst an : Ipsitm vehit in materiali
qaodam specnlo representans non parum utitis esse videtur ad dimnarum elucidaiieniem scripturarum.
Cum in eis de partiljus ipsius et maxime de locis terrae liabitabilis mentio saepius habeatiir. Ideo
tractaturn hmc scribere et in eo quae a sapientïbus super hac materia diffuse scripta su?it breviter
ac véracités colliyere dignum duxi. In Kapitel 1—13 behandelt er die mathematischen und
physischen Verhältnisse des Er d k ö r p e r s , in 14—48 die Lände rkunde , in 49—60 einige Gegenstände
d e r physischen Geogr aphi e , vorzüglich die Hydrogr aphi e . Eine kur z e Znsaunnenfassnng
des Tr akt a t e s bringt er im .-\nschlnss an eine sciiemaliscb gezeichnete We l t k a r t e
im Epilogus Jlappae Jli/ndi. Er e rwähnt zwa r die Längen- und Br e i t en-Tabe l l en der .Araber
(cap. I I ) , ohne sie aber weiter zu berücksichtigen, wie er denn auch den Ptolemaeus übergeht.
— Erst in einer späteren .-Abhandlung, dem Compendium Ceismographiae, als ihm die
Geogi-aphie des Alexandriners in einer lateinischen Übe r s e t zung vorlag, br ingt er dessen
System in aller Vollständigkeit und setzt anch die Konsti-uktion seiner We l t k a r t e auseinander.
Auch er fügte eine Ka r t e be i , die uns j edoch nicht mehr erhalten ist, D.as Kompendium
hat er im J a h r 1412 oder I 4 I 3 vei-fasst, die Imago Mundi im J a h r 1410. — Gegenübe r
llumboldt ist als die bes te , selbständige Darstellung seiner Kosmogr aphi e j en e von Lelew-el
(Géographie du moyen âge , § 1Ô4—l j 8 ) zu nennen.
Das Exempl a r befindet sich in der Biblioteca Colombina zu Sevilla. Nach den mir
unzugänglich gebliebeneu .Not e s on Columbus« von I l a r r i s s e (nicht im Handel) findet sich
PETRUS DE .\LLLVCO. 2 C 1
Hatte Cohunbus sein kosinographisches Wissen zum weitaus
grössten Teil aus Petrus de Alliaco entlehnt, so hatte hinwiederum
auch Dieser sich wesentlich auf andere Darstellungen gestützt, ohne
freilich immer die Quellen zu nemien. So tindet sich gerade die
hemerkenswerteste Stelle, welche in Colnmbus vor allen anderen die
Vorstellung von der nur geringen Breite des Atlantischen Oceans entstehen
liess, wörtlich aus dem Opus mains des Ro g e r Ba co herüber
genommen. Der Kernpunkt der Erage war und blieb die Ausdehnung
jenes Oceans, welche nur mittelbar aus der Dilferenz der Erdgrösse
und der west-östlichen Erstreckung der Kontinentalmasse erschlossen
werden konnte, und hierüber gaheii Bacon, beziehungsweise Petrus de
Alliaco, den gewünschten Aufscliluss,
Die Frage über die Bewohnbarkeit der Erde, heis.st es bei
de Alliaco, muss man unter dem doppelten Gesichtspunkt betrachten,
indem mau nämlich einmal untersucht, in wie weit die Soiuie die
Bewohnbarkeit gestattet, und sodann in wie weit das Wasser sie nicht
verhindert. Dieser letztere Punkt hing mit der Frage nach der
relativen Verteibing von Wasser und Land auf der Erdkugel im
xVllgemeinen zusammen, wobei allerdings die Ansichten weit auseinandergingen.
P t o l ema e u s sagt, heisst es weiter, dass nur ein
Sechstel der Erde bewohnbar sei. Hingegen beruft er sich im Almagest
auf den Aus.spruch des Ar i s t o t e l e s , nach dessen Angabe das Meer
zwischen den äussersten Enden Spaniens im Westen uud dem Anfang
Ltdiens im Osten nur sehr klein sein solle, so dass im Ganzen genommen
wenigstens ein A^iertel des gesamten Erdkugel-Areals bewohnt werden
könne, — eine Annahme, welcher Av e r r o e s vollkommen beistimmt.
Die Kleinheit des Weltmeeres hebe ferner auch Seiieca, hervor, da
der Ocean bei günstigem Winde in wenigen Tagen überschifft werden
könnte, und P l i n i u s erwähne das Urteil eüüger Gelehrten, wonach
das Meer nicht so gross sein könnte, dass es drei Viertel der Oberlläche
bedeckte. Im v i e r t e n Bu c h E s r a wird das ungleiche Verhältnis
noch erheblieh vergrössert, da wenigstens "/'; "Icr Erde das
Land und nur '/; das Wasser einnehmen sollte. Man müsse jedenlalls
annehmen, dass Aristoteles und Seneca ein zutreffendes I'rteil zu fällen
in der Lage waren, da Jener durch die L'nternelimungeu Alexanders
des Grossen, Dieser durch die des Kaisers Nero in den Besitz bramliharen
IMaterials gelangten. Ihnen müsse man daher mehr Glauben
die Nacitbihlung einer Seite atis j e u e r Kosmogr aphi e bei W i n s o r , Histoi-y of .America II. 31.
Im ÜTirigen vgl. besonders \ ' a r n h a g e n im Bulletin de la Société de Géographie de Paris,
1858, S. 71.