
190 m . KAPITEL. DIE KENNTNIS VOM ATLANT. OCEAN VOK COI.UMKUS.
Die Terra repromissioiiis Sanctomm des heiligen BTiiiidan ist also
jedenfalls eine jener labclliaften Inseln, von denen ,his Mittelalter
mehrere aufzuweisen hat. Sie zeigt maniügfaclie Anklänge an die
christliche Paradies-Legende.') wie nicht minder an die Insehi der
Seligen der Alten, und es konnte daher nicht aiislileiben, dass
wechsehingcn und schlies,slich Identiiikationen stattfanden, welche von
vornhereui in dem kompilatorisciien Charakter der Sage begründet
waren. Auf den Karten linden wir ilie Brandan's-Liselu melirfach verzeichnet.
Die Katalanische Karte von 1.37,-, zeigt sie uns an ehier
Stelle, wohin sie auch die ursprüngliche Sage verlegt wissen wollte,
nämhch nicht allzufern westlieh vom südliehen Irland. Sie ist dort
als ehie C.ruppe kleinerer Lisel dargestellt, eüigeschlossen von einem
Ringe, womit vermutlich jener Nebelrhig gemeint sein soll.=) Erst
spätere Gelehrsamkeit im XIY., frühestens im XIII. Jahrlnmdert stellte
die Erandan's-Insel ganz willkürlich mit den Fortunaten zusammen
imd rückte sie dem entsprechend in ^veit südlichere Breiten.
Es sei hier auf einen Irrtum aufmerksam gemaclit. welcher seit
Humboldt vielfach Aufnahme gefiuulen liat. ^^Mr iiuden nämlich anf
zahlreichen alten Schilferkarten, licsonders des XY. .bilulmnderts, an
der Westküste Irlands, einen weit in das I.and eingreiienden, meerbuseiiartigcn
See, welcher mit zahlreichen Inseln erfüllt ist und die
Legende tiihrt: Lacvs fortunalvs ubi sunt insule que dinmtw sancte beaie
CCCLXVII.') Bereits eine der ältesten Kompass-Karten, die des
Vesconte, zeigt denselben fft/l/fo de issole CCCLXVIJI beute et fortvnate.
Die Zahl der Liseln schwankt zwischen 307 und 368. — l'lumboldt
ist inui der Ansicht, dass diese nordischen Fortunaten nur ein Irrtum
censavit ventus, et cepit mare esse qua-ü coagidalum prae nimia tranquillitate. — An d e r e Er -
zählungen von d e r Frnchtb. a rke i t einzelne r I n s e l n , de r Gros s e de r We i n t r a n b e n n. dergl.
erinnern an den Bibe lbe r i eht vom La n d e , da J l i l eh nnd Ho n i g lliesst (Bnch Josua ) . — De r
ventus odore suaassimus (S. 36) zeigt viel Ähnl i chke i t mit dein b e f r u c h t e n d e n Wi n d , de r na c h
dem Ge o g r a j j h u s Ea v e n n a s aus dem Pa r a d i e s we h e n soll u. s. w.
') Da s s die terra repromissionis mi t dem Pa r a d i e s identisch sein soll, tritt im T e x t
der Br a n d a n ' s - L e g e n d e n i r g e n d s deutlich h e r v o r . Nu r einmal f and ich einen Hi nwe i s h i e r a u f ;
so he i s st es in d e r Ei n l e i t u n g, das s Br u d e r Ba r i n t u s , zur Insel Deliciosa z u r ü c k g e k e h r t !
den h a r r e n d e n Mö n c h e n v e r k ü n d i g t h ä t t e : Vestra eomersatio procu.1 dubio est ante portam
paradisi. Ilic prope est insula: que vocatur terra repromissionis sanctorum, idii nec nox imminet,
nec dies finitur. Hiei-auf a n two r t e n die Mö n c h e : Ahla, novimus quia fuistis in paradiso, —
sed spatium maris uU est ilie paradisus ignoramus. Doch scheint diese St e l l e , wi e schon liervorgehoben,
e ine s p ä t e r e Int e rpol a t ion zu sein.
Dieselbe Da r s t e l l u n g f inde t sich auf d e r a n o n yme n Sc h i f f c r k a r t e von Ne a p e l
(vgl. .A.tlas, Ta f e l IV, No . 8), n u r das s d o r t die Insel Brazil heisst.
So auf de r Bologne s er Ka r t e des Be n i n c a s a , 1482.
DEK LACUS FOIITUNATUS DER IRISCHEN KI S T E . 191
der Kartographen seien, wclche die Fortunaten der antiken Sage
durch nachlässige Zeichnung zu weit nördlich verrückt hätten, bis sie
nach und nach die Westküste Irlands erreichten. Als dann die
richtige Lage der Kanarien in ihrer Zugehörigkeit zu Afrika auch auf
den Kiirten mehr und mehr zur Geltung kam, liätte man nichts desto
weniger auch die nordischen Fortunaten fortbestehen lassen, und .so
fänden wir sie in dieser doppelten Lokalisirung auf vielen Karten
der späteren Zeit noch vor. — Diese Deutimg Ist jedoch nicht ohne
Bedenken hinzunehmen, zumal da auch eine so bedeutende Verschiebung
einer Ortlichkeit, vom unteren Ende der Karte nach dem
oberen, selbst mittelalterlichen Kartograplien nicht gut zuzutrauen ist,
wie ja auch Humboldt bestimmte Beispiele für den in Frage komnienden
Fall nicht aid'zuweisen lurt.
Im Gegenteil, der auf den Karten dargestellte Insel-See ist nicht
bloss eine Chimäre der Kartenzeichner, sondern soll vielmehr eüie
der zahlreichen Buchten der West-Irischen Küste darstellen. Wi r
finden ihn regelmässig südlich der durch ihre expomrte Lage auffallenden
Insel Ardoin (jetzt Achill-Lisel) vor, und er lässt sich somit
ehizig und allein auf die durch die Cläre-Inscd abgeschlossene und
mit zahlreichen grösseren und kleuieren Inselchcn erfüllte C l ew- B a y
deuten.') Auf der Mediceischen Ktirte von 1351, wo wir ihn zum
ersten INIal beobachten, heisst er lachus ortunatus, und die Liseln
isola lacharis; und seitdem finden wir ihn auf allen Karten vor, bis
ins XVII. Jahrhundert hineüi, wenn er luich an Grösse allmählich
abniiuiiit und gegenüber den anderen Buchten der Ir-ischen Kü.ste
mehr und mehr zurücktritt.
Freilich ist es noch nicht gelungen, eine genügende Deutung des
Lacus Fortunatus und seiner 368 Inseln zu gelien; sie kann meines
Erachtens nur von einer näheren Prüfung der alt-irischen Sagen und
Ileiligeii-Geschichteii, an denen Irland besonders reich ist, erwartet
werden. ]Mit den Insulae Fortunatae der Alten haben die 3G8 Liseln
Irlands aber nur den Namen gemeuisam; höchstens können jene als
A^orbild für diese gegolten hallen. Dass sie zeitweise für identisch
angesehen \'\'urden, ist keinesfalls anzunehmen; dass sie vielmehr
ganz und gar ein irisches Produkt sind, muss man auch aus den
durchaus eigenartigen Sagen schliessen, die sich an diese IiiseLi
knüpfen, und von welchen uns eine Legende auf den Karten Benincasa's
Bereits Le l ewe l (im Po r t u l a n génér.al des cartes zu seinem Atlas) u n d Fi s c h e r
(.Sammlung, S. 44) haben diese Me i n u n g a u s g e s p r o c h e n .
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