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diiigs ül)er die ndntive Lage derselben Beseheid weiss. Ziideni niatdit
sicli bei ihm. wie überhaupt in der Folgezeit, mehr und mehr eine
Anlehnung an die arabiseheu Karten geltend. Wie sehon die Annahme
zweier Kaspiseher Meere aus dieser Quelle zu stammen seheint, so i.st
aueh die östliehe Erweiterung des Alrikaniseheu Kontinentes ohne
Zweifel arabisehes Erzeugnis. AVir werden auf sie unten zurüekkommen.
Die vielgenaimte Weltkarte im Medi e e i s ehe n Se e -At l a s von
1351 (in der Laurentianisehen Bibhothek zu Florenz), von ebenfalls
kreisförmiger Gestalt, enthält, neben Europa und Afrika, von Asien müden
westlichen Teil bis Lidien, dessen stark hervortretende Südspitze
noch verzeichnet ist.') Aber die Karte lässt einen bemerkenswerten
Fortschritt gegen frühere erkennen. Die manniglachen Übereinstimmungen
mit der Karte der Pizigani und der Katalanischen sind
so auffallend, dass alle drei miteinander notwendig in Beziehung
stehen müssen, luid es wahrscheinlich ist. dass die Pizigani und der
Katalane jene Karte kopirt haben. In Mittel-Asien finden wir Armalek,
die Hauptstadt von Tschagatai am Ili-Fliiss verzeichnet: in Lidien das
durch Marco Polo bekamit gewordene Reich Delhi; auch die richtige
Gestalt des Arabischen Busens ist oft hervorgehoben worden. Aber
am meisten hat wohl stets die merkwürdig richtige Konfiguration des
afrikanischen Kontuientes in seiner ganzen Ausdehnung berechtigtes
Staunen hervorgeriden, da wir hier, bereits anderthalb Jahrhundert
vor der Umsegelung des Kaps der Guten Ilolfnung, die für Afrika so
charakteristische, keilförmig nach Süden auslaufende (iestalt beobachten
können, statt der sonst üblichen, durch die Rundung der Karte
bedingten dreieckigen Form. Ehie Umsegelung ist hier völlig ausgeschlossen,
da die nähere Kenntnis Afrika's nicht weiter reicht als
auf allen übrigen Karten, und die südliche Hälfte des Kontinentes ohne
jeden Namen geblieben ist. Es liegt uns hier nur eine, vermutlich
auf bestimmte Nachrichten von Arabern inid muhamedanischen Pilgern
sich gründende, zu einem Ganzen gefügte, glückliche Kombination vor.
Sehen wir von der Karte des Ra n u l f u s Hy g g e d e n ab (vgl. Atlas,
Tafel III, No. 4), welche in ihrer ovalen Gestalt und den plumpen
Formen nach einer sehr viel älteren Vorlage kopirt zu sein
scheint, jedenfalls für das XIV. Jahrhundert als ein Rückschritt
zn bezeichnen ist,') und von der ungefähr dem Jahre 1370 angehörigen
Karte der Ch r o n i k von St. Deni s , welche Karl von
Frankreich gehörte (vgl. Atlas, Tafel III, No. 9), so findet in
dieser nämlichen Zeit die Komp a s s k a r t e ehie bedeutsame Ausgestaltung.
Wurden zwar die Ergebnisse des neuen, aus den Bedürfnissen
der Schiffahrt sich entwickelnden Aufnah in everfahrens mit
llidfe der Bussole auch für die Darstellung des runden Weltbildes
verwertet, indem wenigstens das Älittelmeer in seinen richtigen Verhältnissen
emgezeichnet we rden konnte, so überschritten die Zeichner
solcher Sehifler-Karten tlie Grenzen ihres engeren Darstellungsgebietes,
welches, wie gesagt, nur das Mittelmeer und Teile der Atlantischen
Küste umfas.ste: sie zogen auch Gebietsteile mit hinein, für welche sie
ülier kein exaktes Beobachtungs-Material verfügten; zunächst nur
die westlichen Teile Vorder-Asiens, dami, immer weiter ostwärts
•schreitend, uinfangreichere Teile dieses Kontinentes bis Indien hhi,
um schliesslich sogar auch die Ostküste Asiens, mit dir also den Ostrand
der ilamals bekannten Welt, in ihren Bereich zu ziehen. Während
man Anfangs nur die den Schiffer interessirenden Küstengebiete
bcnicksichtigte, suchte man nach und nach auch das Binnenland zu
füllen; man tnig den jMittel- und Oberlauf der Flüsse ein, deren
3Iündungen man schon früher auf den Karten verzeichnet hatte; man
machte einzelne Binnenstädte namhaft und schmückte die leeren
Flächen üi Ermangehmg besseren jMaterials mit Städte-Veduten,
Herrschcrbildern, Wappentafehi, Tieren und anderen Produkten des
Landes aus: für entferntere Gegenden des Nordens und Südens gTiff
man auf Plinius, Sohmis. Isidor oder Honorius zurück und brachte
deren unzuverlässige Mitteilungen in mehrzelligen Legenden an. So
wurde die Komp a s s k a r t e zur We l t k a r t e e rwe i t e r t .
Schon die Weltkarte im Mediceischen See-Atlas kaim dieser
Kategorie zugezählt werden; noch älter aber ist die im Floreutinischen
Staats-Ai-chiv befindliche Karte des Gi o v a n n i da Ca r i g n a n o , die
die erste dieses Übergangsstadiums zu sein scheuit.-) Sie reicht im
') A'ollsrändige Publikation des ganzen Atlas mit reichem Konunent a r von Tb. r i s che r ,
Sannnlung, .S. 127- -147. .— .Afrika (allein) auch bei Baldello H o n i , 11 ^liüone di i l a r c o
Polo, Firenze 1827; nach ihm Peschel. Gesch. d. Er d k d e . , S. 193.
') Ranull'ns llvggeden (auch Ralph Iligden) wa r ein Benediktiner des Klosters
St. We r b e r g in der (jrafschaft Chester, wo er im .lahre 1360 starb. Die seinem Polycbronicon
beigegebene Ka r t e vgl. im Slagasin pittoresque 1849; bei Le l ewe l , Sant a r em, J oma r d . Vgl.
Santarem, Essai I I I , 1 — 60; Lelewel Geogr. I I , § 1 0 8 .
-) In einer Legende der Ka r t e beisst es: Johannes presbyter rector sancti Marci de
porta Jamie me fecit. Desimoni hat aus Genuesischen Ur k u n d e n na chgewi e s en, dass in der
That ein Giovanni da Carignano in den J.abren 1306, 1311, 1314 lebte und 1344 s t a rb, der
als Rektor der Ma r k u s -Ki r c h e in Genua bezeichnet ist. Hi e r zu stimmt auch die dur c h
Philippe da Bergamo bezeugte Mitteilung, dass eine (persische) Gesandschaf t , die nach Genua
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