
44 I. lUP I T E L . DAS WELTBILD DER ALTEN.
westlicher Richtung Jas bekannte Land vom Meridian durch die
Inseln der Seligen (Maxaciov vr,<Toi) bis nach Thinae auf 180 Grade
ansetzt,') zieht er die Südgrenze längs des 16. Breitengrades südlich
des Äquators und nimmt die Nordgrenze mit dem (SB., durch die
Insel Thüle gehenden. Parallel an. Dieses so bestimmte Trapez
schliesst die bekannt gewordene Oikumene ein; darüber hinaus liegt
nach allen Richtungen hin die Terra incognita (ayvwuroi; 711). Den
63. Parallel von Thüle, dessen irrige Berechnung seit Pytheas datirt,
sieht er als die Grenze des nördlich von Europa bekannt gewordenen
Meeres an,-) während derselbe weiter östlich, über das Festland hiiistreichend,
in Europa und Asien die bekannten Gebiete von den mibekannten
scheide. Indem er so die im westlichen Teil auf dem
Wasserwege angeblich erreichte Breite von 63°, als Grenzlüiie des
Erforschten, auch im östlichen Teile auf das Festland überträgt, um
dadurch einen symmetrischen Abschluss nach Norden hin zu erhalten,
rückt er zu diesem Zwecke die Nordgrenze der einzelnen Länder:
vom europäischen und asiatischen Sarmatia, von Skythia innerlialb
und ausserhalb des Imaus und von Serika, bis zu dem genannten
Grade hinauf und füllt die weiten Landilächen mit zahlreichen
Namen aus. Alle diese Landschaften grenzen also nach seiner
Darstellung unmittelbar an die Terra incognita.") Ebenso verfährt
er im Osten, wo Serika rmd Sinae mit dem 180. Meridian absehliessen.')
Verwickelter sind die Verhältnisse im Süden. Während
Sinae als die südöstliche Ecke des Ländertrapezes auch im Süden
vom unbekaimten Lande umgrenzt wird, ist das Gleiche bei Libyen
der Fall.'') Für die zwischen beiden Ländern liegende Strecke aber
versteigt er sich (dem Marinus folgend) zu einer Hypothese, die zu
Hingegen r ü c k t Ma r i n n s v o n T y r n s . anl' den er sich sons t im "Wcsentliclien stützt ,
den ös thc l i s t en Me r i d i a n bis auf 2 2 5 Gr a d hinaus .
P t o l . I I I , 5, 3: V « « r « 701' hiu 77«J«>./o-J -S-STIC, 7Cl.7SX7( 70
Neben VI I . 5, 2, wo er e inen s umma r i s c h e n Ub e r b l i c k ül)er sein Sy s t em giebt ,
sind die e inz e lnen St e l l en t o l g e n d e : I I I . 5, 1: 'H E-j^mtty! ^ a s iMi -ui « - • wsi'
äoyTui' -üj 7£ wy.Eciiw yaric rof Ovsrshtyci^ y.o'A-ov nat iJ^iost ~r,Q rtyi'w^T ov
V, 9, 1: 'n sf 'At{'« ^ccoaixricc tvejio^. wei' a^y-njij ayi'wTrw yr,. ^'1. 14, 1: H
'lufcou i-'xTJ^/a -ecio^. «770 hs ci^yT'M' ccyvMTTiii y r . A^I, 1 5 . 1: H iy.Tog Waov
^y.vSicc 77. U77D a^yr. 7y ayvluTTw yr,. ^ ' I . IG, 1: 'H tt. k~q rhyr. riyuiMj-rw y^. —
Vgl, o b e n S. 33.
' ) ü b e r die T e r r a i ncogni t a im Os t en von Se r i k a vgl. V I , 16, 1; von S i n a e V H , 3, 1.
®) IV, 8, 7 fasst er bei Be s p r e c h u n g de s Ae t h i o p e n l a n d e s da s Er g e b n i s dahin zusammen,
da s s er die E n t f e r n u n g - v om S ü d e n d e r Oi k ume n e bis zum S ü d p oK auf 74 Gr a d e
berechnet.
DAS WELTBILD DES PTOLEMAEUS. 45
seinem sonst so kritischen Verhalten in grellem Widerspruch steht.
Obwohl ihm, vom Vorgebirge Aromata (Kap Guardafui) an, die Südwestrichtung
der afrikamschen Küste wohl bekannt ist, lässt er sie doch
weiter südlich, in der Gegend des 16. Breitengrades, plötzlich scharf
nach Osten umbiegen und südhch des Indischen Meeres über
90 Längengrade weit nach dem östlichen Asien hinüberziehen, wo
sie sich mit der bis imter den Äquator huiabreichenden Küste Sinae's
vereinigt und so das Indische Meer zu einem Binnenmeer abschliesst.')
Wie wir schon nicht in der Lage sind, etwas Näheres über die
Entwickelmig'sgeschichte der Lehre von geschlossenen Oceanbecken zu
ermitteln, so lassen uns die Nachrichten nicht mhider im Stich,
welche Gründe Ptolemaeus zur Anerkennung dieser Lehre bewogen
haben, — welche entstellten Mitteilungen ihn zur Annahme eines Australlandes
veranlasst haben mögen. Er schliesst die ganze Oikumene im
Norden. Osten und Süden mit einer Terra incognita ein und setzt
auch dem Indischen Meere — fast demonstrativ! — nach Süden hin
eine Grenze. Es lässt sich hier der Eindruck nicht verwischen —
mag man die Sache drehen und wenden wie man will —, dass sich
Ptolemaeus an dieser Stelle über eine kritische Prüfung der Beweismomente
hinweggesetzt hat, indem ihm auch ein terrestrischer Abschluss
des ganzen Kartenbildes angemessener erschien; dass er gegen
die Erdinsellehre mindestens ein durch nichts zu rechtfertigendes
Vorurteil hatte.")
Mit der Frage nach der Beschaffenheit des äusseren Randes der
Oikumene hmg die andere aus ihr sich entwickelnde Frage nach der
Be s c h a f f e n h e i t de r g a n z e n E r d o b e r f l ä c h e überhaupt zusammen.
Nahmen Anfangs noch die Grundprobleme der Kugellelire die wissenschaftliche
Arbeit vollständig in Anspruch, so wendeten doch sehr
bald die Vertreter dieser neuen Lehre ihre Aufmerksamkeit auch der
Geographie der Oikumene wieder zu, als man anfing, die Beziehungen
z^visehen dieser und der Erdkugel aufzuwerfen. Die Erörterungen
Ptolemaeus e rwä lmt dieses Sü d l a n d an dr e i St e l l en s e ine r Ge o g r a p h i e . IV, 9. 1;
3 , G: 77£j!lE%E7«l «770 TWf K«77ry«0t/Jl ' 77J0? 7 « ? Sl^TUfic CCytWTTM y ^ ,
lIsciT-iAjSiJ c-aXftTTrti/ 70b IOKTOU cap' oC cijyj-ut, s'i^r]vrct, ö 7r?
Bctr^ccy^slceg Ko?.770t, j-v^arrr^'i' -ru y^i' tm ts 'P«Tr7tr ««ou.tt^o/w yct) \'0Tt0ts lA^sTt 7ro
'A^ni'.W. F e r n e r V H . 6, 2, 4.
Die .auffallend na ch S ü d e n v e r z e r r t e La g e von Sina e sollte d em I n d i s c h e n Me e r e
wenigstens na ch Os t en hin einen be r e i t s n a c h g ewi e s e n e n Ab s c h l u s s g e b e n , de s s en tha t s ä chl i che s
Vorhandensein Pt o l ema e u s d u r c h spezielle L ä n g e n - u n d Br e i t e n f i x i r u n g von Ka t t i g a r a u n d
Thinae auf H.albe- u n d Dr i t t e l g r a d e g e n a u g l a u b h a f t zu ma c h e n s u c h t , zuma l da ihm
f ü r da s h y p o t h e t i s c h e S ü d l a n d alle topogr.-iphischen .Angaben f ehl t en.