
3 8 1. KAPITEL. DAS WELTBILD DHU ALTEN. ERATOSTHENES' GRUNDE FL'R DIE ANNAHME EINER ERDINSEL. 3 9
B-älua-a-M) zu niüiidon.') Fi'ir eine derartige Sehlussfolgerung war die
Annahme eines terrestrischen Zusammenhanges Indiens und Libyens,
wodurcli das Erythräische Meer zu einem abgeschlossenen Becken
wurde, die notwendige Voraussetzung.-) Wenn Alexander aber auch
die mögliche Richtigkeit dieser damals aufgeworfenen Vermutung
nach Erreicliung des Indus ernstlich erwogen hat, so ist er doch mit
Vorliebe für die Inselgestalt der Oikumene eingetreten, und Keiner
mochte für die Grenzen des Weltkreises ein lebhafteres Interesse
haben, als der Welt-Eroberer selbst.'')
Die nisulare Beschaflenheit der Erde wiirde hi den nachfolgenden
Jahrhunderten aber auch A-OII wissenschaftlicher Seite mit grossem
Nachdruck verfochten, und als Ilauptvertreter dieser Lehre di'irfen
wir Eratosthenes bezeichnen, welcher auch den Alten als solcher
schon gegolten hat.') Das Material, welches von ihm zum Beweise
herangezogen '\\T.irde, war schon reichlicher, als das seiner Vorgänger;
die Reise des Pytheas nach dem Europäischen Norden, die Nearchos-
Eahrt und die durch irrige Kombination entstellte Reise des Patrokles,
am Ostrande des Festlandes um Indien herum in das Kaspische IMeer,
scheinen als gewichtige Argumente von ihm verwendet worden zu
sein. Strabo, welcher in dieser Frage mit Eratosthenes vollkommen
einer Meuiung ist mid in seiner Darstelhmg sich wesentlich an
Eratosthenes anlehnt, fasst das Ergebnis kurz zusammen: »Die Inselgestalt
der Oikumene folgt euiinal aus der sinnlichen Wahrnehmmig,
und sodann aus der Erfahrung. Denn überall, soweit die Blenschen
bis an die äussersten Grenzen der Erde vorgedrmigen sind, hat sich
Meer gefunden, welches mr Ocean nennen; und wo sinnliche Wahrnehmungen
fehlen, da kommt uns die Berechmmg zu Hülfe. Die
Ostküste gegen Indien, die Westküste gegen Iberien und das Land
der 31aurusier, sowie ein grosses Stück der Süd- und Nordküste, sind
umschifft. Der übrige Rest, welcher bis jetzt noch nicht befahren ist,
weil sich unter den von entgegengesetzter Seite miternommenen Seereisen
kein Zusammenhang herstellen lässt, ist geringfügig, wenn man
den Abstand der entferntesten Pmikte, bis zu denen man gelangt ist,
•) Ari-ian. Anab. V I . 2 ff.
') Al e x a n d e r wa r j e d o c h in seinen .Ansichten s c hwa n k e n d , da er bei a n d e r e r Gelegenlieit
die .Absicht ä u s s e r t , Libyen nmr ahr en zu lassen. A'gl. Ar r i an. Anab. \ '11, 1. 2—4 .
") Vgl . hi e r zu Ar r . Anab. V. 26, VI I , 1 6 , 2; Cur t . R u t I X , 3, 4, 9-, J u s t i n . XI , 11,
X I I , 7; St r a b o X V I , 741.
') Eus t a th . ad. Dionys, ed. J l iUl e r , Geogr . Gr. min. I I . 2 1 7 : uk -rov » «mr o ü - s j . -
S1?..)(/)070C Tri. y y r , a r e c " « zn' , ' E a n r o - S s i ^ t S o f n ^ e , , cS ^ » iXi -T« S5T.I' s'- ^roAXoTc c r i o i y . o i ^ u r ä l i '
'i'gl. Be r g e r , Er a t . S. 15.
berücksichtigt. Es ist nämlich nicht wahrscheinlich, dass der Atlantische
Oeean aus zwei Meeren bestehe, mdem er durch schmale
Isthmen derartig geschieden werde, dass eine Umschiffimg mimöglich
ist; er bildet vielmehr ehi zusammenhängendes Gewässer. Denn Diejenigen,
welche Umschillungsversuche angestellt haben imd wieder
umgekehrt shid, versichern, dass ihre Fahrt nicht wegen eines vorgelagerten
Festlandes aufgehalten sei, sondern Avegen Mangels an
Lebensmittehi mid völliger Hülflosigkeit, am allei-wenigsten des Meeres
wegen, welches weiterhin dm'chaus befahrbar sei.«') Aber noch eines
anderen Momentes thut Eratosthenes zur Erweismig eines kontinuirlichen
Zusammenhanges des Weltmeeres Erwähnung. Er weist auf die
eigenartigen Ebbe- und Flut-Erscheinungen des offenen Oceans hin,
die an allen Teilen der Küste eine auffallende Gleichmässigkeit zeigen,
und zieht hieraus den Schluss, dass dies nur miter der Voraussetzimg
eines einheitlichen Meeres denkbar sei. Gegen die Richtigkeit dieser
Behauptiuig hat sich -^'or Allem Hipparch ausgesprochen, und aus
seiner Aussenmg, die uns nur mittelbar durch Strabo erhalten ist,
hat man auch seine Stellungnahme gegen die Oceanfrage herauslesen
Avolleii. Hipparch, der strenge Kritiker des Eratosthenes, fülirt gegen
ihn vor, dass das Meer durchaus nicht überall dieselben Fluterschehiungen
zeige, imd dass, selbst wenn dies der Fall wäre, hieraus
noch nicht gefolgert Averden dürfe, dass der Atlantische Oeean
rings um die Erde in ununterbrochenem Zusammenhang stehe. Strabo
setzt hinzu: »wegen der erstgenannten Behauptung beruft er sich auf
das Zeugnis des Ghaldäers Seleukos«.") Diese Notiz hat zu der Annahme
Veranlassung gegeben, dass die Geschlossenheit der Meere
zuerst von Seleukos behauptet und späterhin von Hipparch angenommen
mid weiter ausgebildet worden sei; dass Beide mithm schon
entschiedene Gegner der von anderer Seite behaupteten üiselartigen
Beschaffenheit der Oikumene gewesen seien. Diese Auffassmig
Strabo I, 5.
-) Se l eukos von Se l euke i a am Tigr i s lebte um die gl i t t e des IL J a h r h u n d e r t s v. Chr .
E r ist einer de r weni gen ^ ' e r t r e t e r d e r Le h r e von de r Er d r o t a t i o n u n d Bewe g u n g um di e
Sonne. Vgl. b e s o n d e r s S. R ü g e , d e r Cha ldä e r Se l e u k o s ; eine kr i t i s che Un t e r s u c h u n g aus
der Ges chi cht e d e r Ge o g r a p h i e ; Dr e s d e n 1865.
l l t i i n b o l d t (Kr i t . Unt e r suc luuige n ü b e r die hist. En twi c k e l u n g d e r geogr aphi s che n
Kenntnisse von d e r Ne u e n We l t , deut s ch von I d e l e r , Berlin 1836) ha t sich in dieser F r a g e
verschiedentlich ge äus s e r t. Wä h r e n d er (1, 136) die An n a hme von ge s chlos s enen J l e e r b e c k e n
seitens Hi p p a r c h ' s in dtn-chaus l'olgerichtiger We i s e wi d e r l e g t , tritt er s p ä t e r ( I , 2 7 0 u n d 557
und Ko smo s I I , 227) de r gegenteiligen Ans i cht b e i , wi e sie f r anzös i s che Ge l ehr t e ge äus s e r t
hatten; so G o s s e l i n (Re che r che s s u r la g é o g r a p h i e sys t éma t ique et positive des anc i ens ;
I , 45, 133. 194) und L e t r o n n e (Discussion de l'opinion d ' H i p p a r q u e s u r le p r o l o n g eme n t
i 11 i ii'? u i -tï lîiMMmimm- '