
Y. KAPITEL. DEE 3IUNDUS N OWS .
hätte nalie legen müssen, zumal da man zwisehen Cuba mid Paria
nach ehier Durehgangsstrasse suchte.
Es ist nun interessant, die einzelnen Stadien zu verfolgen, dm-eh
welche hindurch sich die Erkenutnis eines neuen Konthientes unter
der noch immer bedeutsamen Nachwirkung, welche das mittelalterli(
dio Weltbild auszuüben vermochte, alhnähhch vorbereitete.
Unmittelbar nach der ersten Fahrt des Columbus zeigte es sich,
welche Auffassung und Bedeutung den neuen Entdeckungen von Leuten
zuerkamit wurde, welche der Frage mit nüchternerem und besonnenerem
Urteil gegenüberstanden, als der phantastische Entdecker selbst. Die
F e s t s t e l l u n g de r Dema r k a t i o n s l i n i e wird unsere Aufmerksamkeit
um so mehr in Anspruch nehmen, als dieselbe gerade unter besonderer
Rücksichtnahme auf die gesamte Kontinentahnasse in ihrer Ausdehnmig
ülier die Erdkugel, d. h. auf das We l t b i l d in s e inem v o l l e n
Umfang, festgelegt wurde. Der oberste Richter, welcher hier das
entscheidende Wort sprach, war kein germgerer, als der Papst.
Die Annahme, dass die von Cohmibus entdeckten Kiisten thatsächlich
die östlichen Teile der GeA\ürz- und Goldländer sein könnten,
rief am Portugiesischen Hof allgenieuie Bestürzung hervor, und man
sann darüber nach, ob nicht jene Gegenden nach den früheren
Bullen der Päpste und dem A^ertrage von Alcacevas (1479) naturgemäss
Eigentum der Portugiesischen Krone wären.') König Emanuel
von Portugal liess daher Ihigs eine Flotte ausrüsten, um das neue
Lidien iu Besitz zu iioliuicn. Aber nueli Spanien war niclit untlultig
gewesen und hatte heimlich den Papst Alexander M. als Schiedsrichter
angerufen, der sehr bald auch den Streit zu Gunsten Spaniens
schlichtete, indem er dieses in den Besitz der neuen Länder setzte.
In der Bulle vom 3. Mai 1493 wird auch des Christoph Columbus
gedacht, der mit einigen Leuten von den Spanischen Königen
entsendet worden sei, »um fernliegende imd unbekannte Länder
zu entdecken, und zwar auf dem Seewege, wo bis jetzt noch nie zu
FESTSTELLUNG DER DESIARKATIONSLINIE.
') Purtng.il liatte sicli vom Pa j i s t dio Obei-liohoit nicht .nllein obe r die a f r ikani s che n
Kiisten, sonde r n anch iiber Indi en, nnt e r \velcheni ma n. ivie oben schon h e r v o r g e h o b e n wu r d e ,
auch Te i l e Ost-.-Vfrika's v e r s t a n d , a n s b e d u n g e n. Im Fr i e d e n von Alcacevas (1479) in
Poi-tngal wu r d e dieses Ao r r e c h t auch von Seiten Kastiliens a n e r k a n n t : .De n Königen von
Portugal bleibt f ü r imme r u n d insgesamt alles En t d e c k t e und noch zu En t d e c k e n d e v o m
C a b o de N a o n n d B o j a d o r b i s e i n s c h l i e s s l i c h I n d i e n mit allen anschliessenden
J l e e r e n , Kü s t e n u n d Inseln zum Ha n d e l n n d Fi s chf ang. Oh n e Er l aubni s des Königs von
Portugal d ü r f e n die Kastilier in j e n e n Lü n d e r n u n d Inseln ke inen Ha n d e l t r e i b e n . (Barros,
l)ee. 1, lib. I, cap. 8ft'.). Vgl. h i e r ü b e r S c h ä f e r , Ge s chi cht e von Por tug. i l , Hamb u r g 1S39
H I , 5S2.
Schilf gefahren wurde. Sie fuhren mit Gottes Hülfe unter Aufwendung
der grössten Energie n a e h den we s t l i c h e n Ge g e n d e n , wie
es he i s s t , zu den I n d e r n ü b e r tien Ocean, und trafen auf einige
weit entfernte Inseln, ja sogar auch auf Festländer, welche von Anderen
bisher noch nicht gefimden worden sind«. Kraft seiner
Apostolischen Autorität spricht der Papst diese Länder der Spanischen
Krone als Eigentum zu.') Aber bereits am folgenden Tage wurde
eine neue Bulle ausgestellt, weil die erste doch etwas zu allgemein
gehalten schien, und vorzüglich die Besitzansprüche, welclie auch
Portugal auf Indien liatte, gegen die spanischen nicht scharf geschieden
waren. Es ^Ynrde als Dema r k a t i o n s l i n i e der Meridian
angesehen, welcher h u n d e r t Lé g u a s we s t l i c h von i r g e n d e ine r
b e l i e b i g en (!) Ins e l der Azor en ode r Ka p -Ve r d e n vom No r d -
pol bis zum S ü d p o l die beiderseitigen Interessensphären stdieiden
soll, und zwar derart, dass alles Gebiet westlich dieser Linie den
Kastilianern, alles östlich von ihr den Portugiesen gehöre.")
Zunächst ist zu bemerken, dass der Papst von der Annahme,
dass die neuentdeckten Länder Teile Indiens seien, nicht so unbedingt
überzeugt gewesen zu sein scheint; er drückt sich wenigstens sehr
vorsichtig aus, da er nur andeutungsweise von Indien spricht, »wie
uiaii sich erzählt«, oder »von irgend einem anderen Teile« der jenseitigen
Küste.") Etwas fragwürdiger ersclieint die andere Bestimmung,
1) Die Bulle vom 3. I\Iai 1493 bei Na v a r r e t e I I , 23 — 27, in we l c h e r mi t Be z u g n a hme
auf Por tuga l gesagt wi r d : Et quia etiam 7ionnulU Portugalliae lieges in partihus Africae, Gruineae
et Jlinerae auri, aüas insulas, similiter, etiam ex concessione Apostolica eis facta, repererunt et
acquisiverunt, et per Sedem Apostolicam eis diversa privilégia . . . concessa fuerunt. Nos, vohis
ac haeredihns et suhcessoribiis vestris praedictis, ut insulis et terris per vos repertis et reperiendis
liuiusmodi . . . . haheri volumus pro sufficienter expressis et insertis, uti, potiri et gaudere libere et
licite possitis ac debeatis etc.
-) Bulle vom 4. IMai bei N.nvarrete I I , 28 — 34. Von d e r Dema r k a t i o n s l i n i e , die
in de r ersten Bulle noch nicht e rwä h n t ist, heisst es : Ac quibuscunque personis . . . districtius
inhihemtis, ne ad insulas et terras firmas inventas et inveniendas, deteclas et detegendas versus
occidentem et meridiem, fabricando et construendo lineam a Polo Artieo ad Polum Antarcticum,
sive terrae firmae, et insulae inveidae et inveniendae sint versus Indiam aut aliam quamcurmjue
partem, quae linea distel a qualibet insularum, quae rulgariter nuncupaiüur de los Azores et Cabo
Verde centum leucis versus occidentem et meridiem, pro mercibus liabendis . . . accedere praesumant
absque vestra licentia. Im Allgemeinen vgl. neben H u m b o l d t (krit. Un t e r s . I I , 3 6 ) , K o h l
(ilie beiden ältesten Geue r a l ka r t e n von iVmerika, au.sgeführt in den Jahi'en 1;)27 u n d 1529,
Weimar 1800, S. 11 — 14) u n d G e l e i c h (in Zeitschr. d. Ges. f. Ei-dkdc.. Berlin XXI I
[1887|, S. 4 7 1—4 7 9 ) , n e u e r d i n g s die Bo n n e r Inaugur a l - Dissertation von Aug. B a u m (die
Demarkationslinie Pa p s t .Mexande r ' s und ihre Fo l g e n , Köln 1890) , in d e r sich allerdings
mehrfache I r r t üme r finden.
In d e r Bulle vom 3. !Mai: per oeeidentales partes, ut dicitur, versus Indos. In d e r
Bulle vom 4. Ma i : versus Indiam aut aliam quamcumqne partem.
• i-. t i- - i K : S S . - s - r i