
2 4 6 IV. K.VPITKL. DAS WELTBILD ZUIi ZEIT DES COLUMBl'S.
einer Reise von Norwegen vom Sturm weit nach Nordwesten versclihigen
und kam an die Ostseite eines grossen Landes mit hohen
Gebirgen; es wa r I sLi n d , welclies er wiedergefunden hatte.') Bald
darauf siedelten grosse Scharen von Normannen, die mit der Erhebung
Harald Haarfagar's zum Alleinherrscher von Norwegen unzufrieden
waren, nach der Lisel über und gründeten in Reykjavik
die erste dauernde Niederla.s.sung; und durch weiteren Zuzug war iu
kürzester Zeit die ganze Lisel kolonisirt. Da begab es s i ch, \ l a s s um
das J ahr 87G ein Seeräuber, Gu n i i b j ö r n , auf seiner Eahrt nach
Island, westwärts getrieben, ein neues Land entdeckte, dessen Existenz
seitdem den nordischen Seefahrern iu Erinuerniig blieb, und so kam
es, dass fünfzig Jahre später (982) ein junger Normanne, E r i k d e r
Rote, vor der Blutrache aus seiner Heimat Norwegen tlüchtig und
deshalb auch von den Kolonisten Islands, wohin er sich wendete,
zurückgewiesen, das von Guniibjörn entdeckte Land wieder aulsuclite.
Die mit spärlichem Graswiichs bedeckte Küste veranlasste ilin, es das
Grüne L a n d zu nennen. Drei Jahre später vermochte er zahlreiche
Auswanderer, ihm nach dem Aviedergefundenen Lande zu folgen, aber
nur vierzehn von den fünfunddreissig Eahrzeugen erreichten ihr Ziel.
Bald dar,auf, luid zwar noch im N. Jahrhmidert, verirrte sich ein
Islandfahrer, Namens Bj a r n i He r j u l f s o n , der nach Grönland steuerte,
auf seiner Fahr t in südhchere Regionen und wurde dort einer ihm
fi-emdartigen Küste ansichtig, von der er sich jedoch, ohne sie weiter
zu beachten, wieder aljAvendete, um, nordwärts fahrend, sobald als
möglich Grönland zu erreichen. Er w a r d e r e r s t e E u r o p ä e r , d e r
das Ame r i k a n i s c h e F e s t l a n d e r b l i c k t h a t Aber was er nur
flüchtig beobachtet hatte, nahm sich vierzehn Jahre später, im
Jahr 1001, Le i f , der Sohn Eriks' des Roten, vor, zum Gegenstand
einer eigenen Entdeckung zu machen. Er stiess auf seiner Fahrt
dorthin zuerst auf eine öde Felsenküste, die er deshalb Ilelbdand,
das Steinland, iiamite, mid erreichte dann, der Küste süchvärts
folgend, eine waldreiche Gegend, der er entsprechend den Namen
MarUand (Waldland) beilegte. Auf semer weiteren Fahrt kam er
schliesslich zu einem Lande, welches ehie durchaus andere Beschafl'enheit
aufwies, und hier Avar es auch, AVO angeblich ein Deutscher,
Namens T y r k e r , AvUdAvach senden Wein entdeckte. AVo dieses
Winland gelegen, ist der Gegenstand mehrtacher Untersuchungen
geAvesen. Nach ehier nochmaligen eingehenden Prüfmig dieser Frage
') La n d n ama b o k I, 1. Man nannt e das Land .Anfangs SchneelamJ, ein Name , den es
aber nicht behielt.
GRÖNL.tND UND AVINLAND BEI ADA3I A'ON BRE3IEN. 247
durch S t o rm, darf man es für gesichert annehmen, dass Leif Erikson
auf seiner Fahrt nur bis Neu-Schottland gekommen ist, und dass
man ui die.ser Halbinsel AVinland zu erkennen habe.')
Späterhin scheinen noch ehiige Ansiedeluugs-Versuche gemacht
AVorden zu sein, Avie die Sagas melden; jedenfalls können sie alle
nicht lange A'on Bestand geAvesen sein. — Die an und für sich grossartige
Entdeckung fand überhaupt keine allzu Aveite Verbreitung und
blieb mehr oder Aveniger auf die Nordischen Lande beschränkt Der
gelehrte Dom-Scholar Ad am v o n Br eme n ist der Euizige, der näher
auf sie Bezug nimmt. Es liegen nach seiner Angabe, ausser Thüle,
Avelches auch er, ähnlich Avie Dicuil, für Island hält, noch einige
andere Inseln im nördlichen Ocean, unter denen nicht die kleinste
( i r ö n l a n d ist. Sie liegt Aveit draussen im Ocean, den Gebirgen
SchAvedens und den Rhipäen gegenüber, fi'nif bis sieben Tagefahrten
von Norwegen entfernt. Die 3Ieuschen sind dort grünlich (caendeusl),
deshalb heisse das Land Grünland. Er erAvähnt schliesslich auch
die Insel Winland, Aveil dort AVein ohne Kultur wachse und ganz
A-orzüglich gedeihe. Auch gebe es dort Feldfrüchte in grosser Menge,
ohne dass man säe, Avie er es angeblich nach authentischen Berichten
1) Die Krage nach der historischen Gl aubwürdigke it der a l t -nordi s chen Sagas hat zu
einem langjährigen Streit ge führ t , den wir hier nicht im Einzelnen verfolgen können. Besondere
Schwierigkeiten hat es stets gema cht , die Örtlichkeit nähe r zu be s t immen, bis zu
der Leif Erikson vorgedrungen ist. T o r f a e u s , einer der Er s t en, der auf die Winl ands f ahr l e n
der Normannen wieder aufrnerkara gemacht hat (Historia A'inlandiae Anti((uae, Kopenh.
agen 1705), enthält sich vorsicbtigerweise j ede r bestimmteren Lokalisirung. R o b e r t s o n
(llistory of America, 1777, .Ailudcg. 17) und ebenso F o r s t e r (Geschichte der Entde ckunge n
im hohen No r d e n , Fr a n k f u r t 1784) verlegten Winl and nach Neufundl and. B a r r o w (A'oyages
to the Arctic Regions, London 1818) wollte noch einen Teil der Küs t e von Labr ador hierzu
rechnen. Wä h r e n d M u r r a y (Discoveries and Travels in Nor th - America, London 1829) die
Übertragung des Namens AVinland auf Amerika übe rhaupt bestritt , trat He n r y W b e a t o n
(llistory of the Norduien 1831) sehr energisch für die Annahme e in, dass auf Gr u n d de r
\-orgefundenen normannischen Altertümer, das fragliche Land in den Neu-Engl and-St a a t en gesucht
werden müsste. Am gründlichsten hat Chr. H a f n die Fr a g e in seinem epochemaciienden
AA'crk (Antiquitales Americanae sive scriptures septentrionales r e rum a n t e -Co l umb i a n a r u m
in America, Hafniae 1837) bebandel t, tuid die Meinung ve r t r e t en, dass Leif wenigstens
bis zum 41. Breitengrade (Massachusetts) vorgedrungen sein müsste. Ihm schloss sich
im AA'esentlicben Alex, von H u m b o l d t an. — Ganz zu schweigen von allen Spä t e r en ,
die gestüzt anf Kafn das hierher gehörige Material zusammenstellten und bes]u-aehen, ohne
die Fr age selbst zu f ö r d e r n , — (über die weitscbichtige Litteratur orieutirt ,T. AVinsor,
llistory of America 1, 87 ff.) — ha t neuerdings wi ede r S t o r m (Studier over A'iniandsreiserne
A'inlands Geografi og Ethnogr a f i , Kopenhagen 1888), der sich gegen die Einzelheiten der
Sagas sehr skeptisch ve rhä l t , die AVinlandsfrage kritisch beleuchtet und ist zu dem Ergebnis
gekommen, dass AVinland nur die Halbinsel Ne u -Sc h o t t l a n d sein k ö n n e ; nach Storm ist
das A'orhandensein von We i n sogar noch weiter nördlich atit Lo r e n z - S t r om in 4 7 ° nördl. Br.
nachgewiesen worden.
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