
248 IV. K.\I>ITEL. WELTBILD ZUK ZEIT DES COLUMBUS.
der Dänen gehört halie. Jenseits (heser hisel aber werde in jenem
Ocean kein Land mehr geiunden, sondern das ganze 3Ieer sei angel'iillt
mit Eis, Nebel inid Finsternis.')
Aber nach seiner Zeit hören wir nnr noch wenig von "Winland-
Fahrten. Im J ahr 1121 soll Erilv t'psi, ehi Biseliot' von Grönland,
eine Fahrt dortlnn nnternommcn haben, nnd znm J ahr 1347 melden
die iSagas, fuhr das letzte Schilf nach Winland.") Seitdem blieb das
Land fast vergessen.
Auch die "Winlaiids-Fahrten hat man mit der Persönlichkeit des
(,'ohimbus in Zusammenhang zu bringen gesucht, üidem man es als
sehr wahrsclieiulich hinstellte, dass Cohimbus auf irgend einem Wege
sich Kenntnis von den früheren Seereisen der Normaimen verschalft
hätte. Alan wurde in dieser Aleinung besonders durch eine Angabe
in der ajiokryphen Lebeii.sbeschreibung des Entdeckers bestärkt, aus
der hervorgeht, dass Columhus im Jahr 1477 mehrere hundert
Seemeilen über Thüle lunausgesegelt sei. J a , er liat sogar eigene
Mitteilungen über die Lagciivcrhältnisse einiger dieser nordischen
Liseln liekaimt gegeben und unter Anderem bemerkt, dass die südlichste
Spitze von Thüle oder Tile, wie er es nennt, im 73. lireitengrad
hege, nicht im (i3., wie andere Geographen irrtümlich behauptet
liätteii; denn Tile liege nicht mehr üinerlialb der Liine, welche das Welthild
des Ptolemaeirs im Westen abgrenze. Die Engländer, besonders die
Einwohner von Bristol, gingen mit ihren Wa a ren nach dieser Insel,
welche ebenso gTOSS wie England sei. Bei seinem Aufenthalt in
den dortigen Gegcndeii, sei das Meer lücht gefroren gewesen, oligleich
Ebbe und Flut gerade dort besonders stark wären. »Es ist richtig«,
sagt er, »dass Ti l e , von welchem Ptolemaeus spricht, sich an der
von ihm angegebenen Stelle befindet, mid dass es hente F r i s l a n d
heisst.«") Wi r ersehen also aus dieser Mitteihmg, dass Columbus
zwei Tile ansetzt; euimal die Lisel Tile des Ptolemaeus im G3. BreitengTad,
oder Fri.slaud, luid sodami ein zweites Tile im 73. Breitengrad,
miter welchem er alleüi Island verstanden haben kann, was auch
') Hist. Ecelesiiist. IV, 35 übe r Th y l e ; III. 23; R ' , 36 übe r Grünl and; U' , 38 übe r
Winland. Übe r Adam vgl. oben S. 83. — Eine .Andeutung j e n e r Entde ckungen findet sich
auch in der Historia Ecclesiastica des Ordericus Vitalis, des 3Iünches von St. Evroul . —
Die bereits erwfdinte Er z ählung von j enen Fr i e s l ände rn, die auf ihrer abenteuerlichen Fa h r t
zu einer Insel mit hohen Klippen kamen und daselbst Leute f anden, die in unterirdischen
Ilühlen wo h n t e n , hat man auf Grönland beziehen wollen. Vgl. Adam I \ ' , 39.
=) Vgl. Ra in, An ü q q . , f. 261.
>) Hi s tor i e , cap. IV, S. 9.
DES COLUMBUS F.UIRT NACH ISLAND. 249
besoiuhn-s aus der Bemerkung klar hervorgeht, dass diese letztere
Insel im äussersten Nordwesten hegen solle, und zwar nicht mir volle
zelin Grad nördlicher als Frieslaiid, sondern auch auffallend we.stlicher,
so da.ss auf dem Btolemaeischen Kartentrapez kein Raum mehr
für sie voiliaiiden war. So irrig auch die Breitenangaben für diese
beiden Insehi sind, und so wenig es auch giaulilicb ist, da.ss Cohimbus
noch 100 Seemeilen über den 73. Grad hüiaiusgesegelt sei, so dürfen
wir dennoch nicht an der Thatsache zweifehi, dass er seiner Zeit eine
Reise nach den Nordischen Liseln angetreten habe. Ganz von der
Hand zu weisen sind aber die weiteren Eolgertuigen, die mau aus
dieser Reise gezogen hat, indem man annahm, dass Cohimbus auf
seiner Falirt über Thüle hinaus sehr wahrscheinlich auch der Gröiiländi.
schen Kü.ste ansichtig geworden seüi müsste und so, ohne es zu
ahnen, bereits tunfzehn Jahre vor der Entdeckung der Antillen den
Boden Amerika's betreten hätte.') Nicht minder verfehlt ist eine
andere A'ermutung, die allerdings schon eher einen Grad von AVahrscheinhchkcit
für sich hat, dass Colnmbus nämhch von der Entdeckung
Nord-Amerika's dnrch die Normaniien Kenntiiis erhalten und diese
sich für seine eigenen Zwecke, für eüie r b e r f a h r t nach diesem
Lande in südlicheren Breiten, nutzbar gemacht habe.') Wi r haben
früher schon einmal Gelegenheit gehabt, A'ermutuiigeii ähnlicher Art zu
widerlegen, wie jene Kunstmann's, der in den fabelhaften Inseln,
welche die Pliantasie des Alittelalters auf dem xUlaiitischen Ocean sich
geschaifen hatte, einen Nachhall der Normaimen-Entdeckungen
erkennen wollte, der nur ni missverstandener Weise auf den italienischen
und katalanischen Schilferkartcn zum Ausdruck gekommen wäre.')
Wie tlie Entdeckungen der Skandinavier an nnd für sich schon nur
mit dem hohen Norden in A'^erbindung gebracht wairden, so ist auch
aus keiner einzigen Stelle ersichtlich, dass die Entdecker in den aufgefundenen
Ländern 'Feile eines grossen Kontinentes crkaimt hätten;
im Gegenteil, Adam vou Bremen hält Grönland und AA^iiland für
Liseln. Wie wenig mtTU aber selbst in späterer Zeit noch geneigt war,
iu CTröuland ein für sich bestehendes, gesondertes Land zu sehen.
') Vgl. Sp o t o r n o , Codice diplomatico Colombo .Americano, 1857, S. XV; Humboldt ,
krit. Unt e r suchungen I, 367.
=) \"on diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, wu r d e die En t d e c k u n g Amerika's dem
Colnmbus geradezu abgesprochen; so vou l l a l t e b r u n (Précis de la Géographie 1, 500, 616)
und R. A n d e r s o n (America not discovered by Cohunbus , Chicago 1874, auch in deutscher
Übersetzung, die erste Entde ckung von Ame r i k a , 1888).
3) Vgl. S. 212 f.
K r e t s c l i m e r . Ent de ckung -Amerika's. 32