
240 IV. K.\PITEL. DAS WELTBILD ZI R ZEIT DES COLt'MBUS.
das lud- dem Clobus diu-gostcdlte Weltbild eine cntseliiedene Anlehnung
an die A-OU Toseanelli vertretene Erdansieht, wenn anderseits aueh die
Einzelheiten des Inhalts, und besonders der zahlreiehen Legenden, das
eigene Werlc Martin Behaim's zu sein scheinen. Die Entternung der
Festlinidskü.sten von Eiiroija, Afrika und Asien beträgt durchschiiittlicli
ebenfalls 130 Längengrade, so weit bestimmte Zahlen bei der bald
weit vorspringenden, bald wieder sehr bedeutend zurücktretenden
Küste Ost-Asiens überhaupt zulässig sind; der Abstand zwischen
Lis.sabon mid jener Stelle, wo der Name Catliajo bei Behaim zu
luiden ist, beläuft sich jedenfalls auf genau 125 Längengrade.
II. Die Vorläufer des Columbus.
iei einer näheren Prüfung der Frage, auf welcher Grund-
Jlage sich in Columbus die Anschauungen von der Bepschalfenheit
der Erd-Oberiläche, der ost-westhchen Ausjdehuung
des Festlandes und der Breite des Atlantischen
Oceans entwickelt und herausgebUdet haben und den Plan einer Westfahrt
in ihm ziu- Reife brachten, müssen hier auch jene Nachrichten
eüie Berücksichtigung finden, wonach bereits vor Columbus mehrmals
nicht allehi Versuche einer westlichen Überfahrt gemacht worden wären,
sondern die Entdeckmig grösserer Liseln und die Auffindung der
gegenüberliegeiiden Fe.stlandsküste tliatsächlich gelungen sein sollte.
AVir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, wie sehr die Phantasie
des Mittelalters geschäftig war, die Ûberhefermigen der Sage mid
die von Seeleuten übermittelten, höchst vagen Angaben über neu aufgefundene
wimderbare Liseln des westlichen Oceans für thatsächhehe
Behaim stellte den Globus h e r , als ei-, aus Por tuga l (>'on der Az o r e n - I n s e l Fayal) zurückgekehrt,
sieb kur z e Zeit in Nttrnbe,-g aufhielt. S. G ü n t h e r wies nach (II. Beha im, in der
Bayrischen Bibliothek, Bd. 13, Bambe rg 1890), dass Behaim bereits 1490 in s e i n e ' n e ima t
zurückgekehrt ist, wo er bis 1493 verblieb. Im J a h r 1492 verfertigte er den Globus , wie
es in der Inschrift weiter heisst. — Neben mangelhaften älteren Reprodukt ionen des Globus,
ist als die beste zu nennen j e n e von Ghillany in der Geschichte des Ritter M. Behaim,
Nürnberg 1853. n u r c h a u s mangelhaft ist die Wi ede rgabe in seiner älteren Abhandlung;
Der Er d -Gl o b u s des M. Behaim un d der des Schöne r , Nü r n b e r g 1842. Andere Re p r o d u ktionen
bei J o m a r d in den Monument s de la Géogr aphi e , in L e l e w e l ' s un d S a n t a r e m ' s
Atlas (T. 61) und ein vorzüglich gelungenes Faesimile in Fa r b e n d r u c k (nach Ghillany) bei
R ü g e , Zeitalter der En t d e c k u n g e n, S. 230.
ANGEBLICHE EAIIRTEN NACH AMERIKA VOR COLUMBl'S. 241
Entdeckungen auszugeben, und wie sehr die Eroberungslust der seefahrenden
A'ölker Süd-Europa's durch derartige Fabeleien angeregt
wuirde. Die Sagen von der xVntillia, La Man Satanaxio, Brasil u. a. ni.
waren diesem Boden entsprossen.
Aber auch noch nach der Entdeckung Amerika's hörten die
legendenhaften Erzählungen nicht auf ^liissten zwar mehr oder
weniger alle jene l'abelliaften Liseln von den Karten als nicht vorhanden
ge.strichen werden, so übertrug man nunmehr die angelilichen
Entdeckungen anf die Kü.ste des Neuen Kontineutes selbst. — Von
den mehrlachen A'ersuchen, jenseitige Länder zu entilecken, die Columbus
in Sehlen Entdeckcrpläntm mit bestärkt haben mögen, .suid
jedoch die gefälschten Berichte wohl zu scheiden, die erst nachträglich
aufgebracht wurden, um den Ruhm des Entdeckers zu schmälern.
Bekaimt ist der berühmte Prozess, welchen der Königliche Fiskal
nach dem Tode des Cohunbus gegen seinen Sohn Diego führte, wo
eine Unsumme der nichtigsten Anschuldigungen und lächerlichsten
Erfindungen zu Beweis - Grihiden aufgebauscht werden.') Seitdem wir
durch Navarrete Einblick in die Prozess-Akten gewonnen haben, ist
ims das Lügengewebe in seinem ganzen Umfang enthüllt worden,
und wir haben zugleich einen Maassstab gewonnen, nach dem wir
einen guten Teil der übrigen älteren Entdeckungen zu beurteilen
haben.
Um ein Beispiel dieser Erdichtungen zu geben, mag die angebliche Urhebe r s cha ft für
die Auf f indung des westlichen Seeweges von Seiten Ma r t i n A l o n s o P i n z o n ' s Erwä h n u n g
fiiulen. In dem Instruktionsschreiben des Fiskals heisst es, dass Alonso Pinzon bei einem
vorübergehenden Besuch in Roiu auch die Bibliothek Paps t Innocenz' VIII. aufgesucht hätte,
wo der ihm befreundete Bibliothekar, ein grosser Kosmogr aph (tjue era grande co/imografo
y tenia muchas y largas eserituras), ihm geheime Schriften gezeigt hä t t e , welche ihn nach
seiner Rü c k k e h r nach Spanien für den Plan begeistert hä t t en, zwei Schilfe auszurüsten und
jene Lände r aufzusuchen (andaha e qu&ria armar dos navios é ir d descuhrir estas tierras).
Arlas Pe r e z , der Sohn j ene s Pinzon, wus s t e weiter zu be r i cht en, dass sein Va t e r dann
mit Columbus, der nach Palos k am, den Pl an be sprochen, und dass dieser sich seine
Kenntnisse zu eigen gemacht und ihn auf seiner Entde ckungs f ahr t zu eineiu einfachen
Begleiter degradirt hätte. (Vino el diclio Almirante en aquel tiempo d esta villa de Palos con
esta demanda de descuhrir esta.s tierras, é como el padre lo viese venir con la diclia demanda . . .
liubo por hieji de rogar é dar parte dello al diclio Martin Alonso, el cual le dijo que llevaba muy
huena demanda é quel lo sabia bien . . . el dicho Almirante se hizo tanto su amigo de su padre,
que hizo concierto con el, é le rogo que fuese en su compania). Wi e ungeschickt die Geschichte
erfunden wa r , zeigt die weitere Beme r k u n g , dass der Inhalt j e n e r geheimen Schrift auf die
Zeiten König Salomo's zurückginge, welcher prophetisch e rkl ä r t e ; .Du mttsst dur ch das
ßlittelmeer bis an das En d e Spaniens f a h r e n , und von dort nach dem Unt e rgang der Sonne,
zwischen Norden und Sü d e n , 95 Längengr ade We g e s , und Du wirst dann auf ein La n d
Campanso stossen, welches üppig und fruchtb.ar ist, mit dessen Machtmitteln Du Af r ika
und Eu r o p a unterwer f en kannst.« —A' g l . Na v a r r e t e , Coleccion de los Viages I I I , 559 f.
K r e t s c l i m e r , Entde ckung Amerika's . 31